Die Enden der Parabel

ankommen soll."
    "Ich nicht. Aber warum gehst du nicht raus zu Putzi? Dort spieln sich diese Sachen
    nämlich alle ab."
    Das Schwein blickt auf die Uhr an der Wand. "Einen komischen Stundenplan hab ich heute abend, so was!"
    "Schau, Krypton, ich erwarte hier jeden Augenblick eine große Nummer von der SPOG, also, was immer dich hergeführt hat..." Sie feilschen um die drei Unzen Kokain, während sich das Schwein höflich zurückzieht, um eine alte Nummer von News of the World durchzublättern. Bald darauf, während er die letzte der kristallin gefüllten Phiolen mit Isolierband an sein nacktes Bein klebt, lädt Krypton die Anwesenden zum Austerngabel-Fight ein. "Bodine hat das große Geld an der Hand, da sind Typen von überall aus der Zone -" "Seaman Bodine?" forscht das überraschte Plüschschwein. "Der König von Cuxhaven, Porky."
    "Tcha, dem hab ich in Berlin mal was besorgt. Laß ihn schön grüßen, vom Raketenmenschen!"
    Krypton, der gerade, die Hose hochgekrempelt, eins der Fläschchen öffnet, um mal zu schnuppern, was er hat, hält inne und reißt die Augen auf: "Du meinst dieses Hasch?" "Yup."
    Krypton schnieft je eine fingerbreite Prise der weißen Flocken in seine Nasenlöcher, links und rechts. Die Welt beginnt aufzuklaren. In der Tiefe seiner Gurgel ballt sich bitterer Rotz zu einer störrischen Faust. Die Große Potsdamer Raushole ist längst in die Folklore der Zone eingegangen. Sollte dieses Schwein hier etwa versuchen, vom Ruhm des Raketenmenschen mitzunaschen (an dessen wirkliche Existenz Krypton übrigens nie so ganz geglaubt hat)? Kokainener Argwohn, geduckt und ekelhaft wie Ratten... schimmernde Phiolen in tausenderlei Farben, Stimmen aus dem Radio, der Stoff und Griff des zottigen Schweinekleides, da Krypton zupackt, um es zu schütteln ... nein, soviel ist klar, dieses Schwein hier ist kein Schnüffler, kein Bulle, kein Dealer, es will niemanden bescheißen... "Wollte nur mal sehen, wie sich das anfühlt, weißte", sagt Krypton.
    "Aber sicher." Als der Eingang plötzlich wimmelt von roten Mützen, Leder, Rangabzeichen. Krypton steht da wie ein Ölgötze, den Verschluß des offenen Kokainfläschchens noch in der Hand.
    "Slothrop?" schiebt sich der kommandoführende Sergeant in den Raum, eine Hand
    auf dem Pistolenhalfter. Das Schwein blickt zu Birdbury hinüber, der den Kopf
    schüttelt, nein, ich nicht, als ob er's auch so meint.
    "Ich war's auch nicht", Krypton spürt, daß er das erwähnen sollte.
    "Tja, irgendwer hat mich verpfiffen", murmelt das Schwein und sieht ehrlich verletzt
    aus.
    "Paß auf!" flüstert Albert. Zum MP: "Entschuldigen Sie mal." Er schlendert rüber zum Lichtschalter, den er ausknipst, worauf Slothrop blitzartig quer durchs Gebrüll an Birdburys Theke vorbei rhumms in ein deckenhohes Regal voller Medizinen reinrast, das ihn dank seines Strohbauchs abfedert und anschließend über jemand anderem unter prächtigem Geklirre und Geschrei zusammenkracht - raus durch einen kohlenschwarzen Korridor, die Arme ausgestreckt für Wandkontakt, zur Hintertür, wo er auch Krypton wiedertrifft. "Danke." "Rasch."
    Draußen wenden sie sich nach Osten, Richtung Elbe und Hafen, stampfen vorwärts, rutschen durch Schmutzlachen, stolpern in Fahrrinnen, der Wind schlägt zwischen Nissenhütten um und ihnen ins Gesicht, Kokain tröpfelt in kleinen weißen Spritzern aus Kryptons linkem Hosenbein. Hinter ihnen heult die Streitmacht, blinkt mit Taschenlampen, scheint aber nicht zu wissen, in welche Richtung sie gegangen sind. Gut. "Follow the yellow-brick road", summt Albert Krypton mit hochgeschraubter Stimme, "follow the yellow-brick road", und jetzt, was solln das, willer wirklich, ja, tatsächlich hüpft er...
    Bald kommen sie, außer Atem, am Pier an, wo die Badass und ihre Division, vier mausgraue Frischlinge, vor Anker liegen, und finden im Zentrum einer wogenden, anfeuernden Menge von zivilen und militärischen Besoffenen den Austerngabelkampf in vollem Gang. Der sehnige Avery Purfle, die Koteletten glattgeleckt im bleichen Licht wie Seehundsfell, der Adamsapfel hüpfend in vier oder fünf nervösen Schlägen pro Minute, umkreist seinen Gegner, den gelassenen und ochsenhaften St. John Blad-dery, beide mit langzinkigen Austerngabeln in En-garde-Posi-tion, die scharfgeschliffenen Schneiden schimmern hell.
    Krypton versteckt Slothrop in einer Mülltonne und macht sich auf die Suche nach Bodine, dem Matrosen. Nach einer Reihe kurzer, glitzernder Finten springt Purfle, flink wie ein