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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Schwein behelligen würde. Während humorlose englische Stimmen von Raum zu Raum näher kommen, zerrt er wütend an Seidenfutter und Strohpolstern, um Platz zu schaffen für sein Fett. Endlich hineingezwängt, uff, und zugezippt, die Maske vors Gesicht geklappt, in clownisch-anonymer Sicherheit, marschiert er durch die Perlenvorhänge hinaus, die Treppe hoch zur Bar und geradewegs einer vollen Division von rotbemützten Hosenscheißern in die Arme, die ihm wirklich und wahrhaftig im Gleichschritt entgegenkommt.
    "Da haben wir ja unser flüchtiges Schwein, Gentlemen!" Ein Pockengesicht, gestutzter und ausgefranster Schnurrbart, eine Pistole, die genau auf seinen Kopf zeigt, während die anderen ihn umstellen. Ein Zivilist drängt sich von hinten vor, auf der glattrasierten Wange ein dunkel glühendes Pik-As.
    "Gut. Dr. Muffage wartet schon draußen im Krankenwagen. Ich würde gerne noch zwei von ihren Leuten mitnehmen, Sergeant, bis wir ihn sicher haben." "Selbstverständlich, Sir." Die Handgelenke, willenlos von Dampf und Wohlbehagen, sind mit geübten Griffen über seinen Rücken gekreuzt, bevor er noch genügend Wut gesammelt hat, um loszubrüllen - kalter Stahl klickt hinter ihm, das Geräusch einer Wählscheibe spät in der Nacht, wenn man keine Hoffnung hat, daß jemals jemand abhebt...
    "Gottverflucht noch mal", kriegt er endlich raus, gedämpft durch die Maske, die seine Stimme schmerzhaft ins eigene Ohr zurückwirft, "was zum Teufel soll das werdn, Junge? Weißt wohl nich, wer ich bin?"
    A-aber Moment mal, nicht so hastig! - wenn sie die Uniform gefunden haben, Marvy-ID und Kokain in denselben Taschen, dann ist es vielleicht gar keine so clevere Idee, schon mit dem Namen rauszurücken... "Leftenant Slothrop, nehmen wir an, Kommen Sie jetzt mit!"
    Er verhält sich ruhig. Slothrop, O. K., erst mal abwarten und sehen, wie die Quoten stehen, die Sache mit dem Stoff kann man später regeln, den Blöden spielen, einfach sagen, daß er einem in die Taschen geschmuggelt worden sein muß. Vielleicht findet sich sogar'n jüdischer Rechtsverdreher, der es fertigbringt, diese Arschlöcher wegen ungerechtfertigter Verhaftung einzubuchten. Man eskortiert ihn zur Tür hinaus und in den im Leerlauf tuk-kernden Krankenwagen hinein. Der bärtige Fahrer wirft ihm einen kurzen Über-die-Schulter-Blick zu, dann läßt er die Kupplung kommen. Bevor er noch an Widerstand denken kann, haben der andere Zivilist und die beiden MPs Marvy mit Riemen über Knie und Brustkasten auf eine Bahre gefesselt.
    Neben einem Mannschaftswagen halten sie kurz an und lassen die Militärpolizisten aussteigen. Dann geht die Fahrt weiter, Richtung Cuxhaven. Nimmt Marvy an. Nichts als Nacht, mondgedämpfte Schwärze, vor dem Fenster. Kann's nicht sagen... "Jetzt ruhigstellen?" Das Pik-As kauert neben ihm, leuchtet mit einer Taschenlampe über Ampullen, Spritzen, Kanülen in seiner Tasche. "Mm. Ja, wir sind fast da."
    "Ich versteh nicht, warum man uns keinen Raum im Krankenhaus zur Verfügung stellt."
    Der Fahrer lacht. "Oh, gerade das verstehe ich sehr gut."
    Langsam die Spritze aufziehend: "Wieso, wir handeln schließlich auf Befehl... Ich meine, wir haben nichts zu -"
    "Lieber Freund, es ist schließlich nicht gerade die respektabel-ste Operation." "Hey", Major Marvy versucht, den Kopf zu heben, "Operation? Was soll das, Leute?" "Schhhh." Ein Schweineärmel wird aufgeschnitten, Marvys Armbeuge freigelegt.
    "Ich will keine Spritze -" doch schon ist sie in der Vene und entleert sich, während der andere Mann ihn zu beruhigen versucht. "Ihr, ihr - ihr habt nämlich den Falschen erwischt, is euch das klar?" "Aber sicher, Leftenant."
    "Hey, hey, hey. Nein. Ich nicht. Ich bin Major." Mehr Nachdruck sollte er dem verleihen, mehr Überzeugungskraft. Vielleicht liegt's an dieser verfluchten, alles aufsaugenden Maske über seinem Gesicht. Nur er selbst hört seine Stimme, die völlig mit ihm rückgekoppelt ist, immer schriller, metallischer klingt ... die anderen hören ihn nicht. "Major Duane Marvy." Sie glauben ihm nicht, glauben ihm seinen Namen nicht. Nicht einmal seinen Namen ... Panik dringt in ihn ein, tiefer, als die Beruhigungsspritze gereicht hat, er beginnt, sich gegen seine Fesseln aufzubäumen, voll wirklichem Entsetzen, er fühlt, wie kleine Muskeln in seinem Brustkorb sich zu sinnlosen Zuckungen des Schmerzes zusammenkrampfen, o Gott, er beginnt zu schreien, mit aller Kraft, keine Worte, nur Gebrüll, so laut, wie die Riemen über seiner Brust es

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