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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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ungesehen, Dimensionen sind bedeutungslos hier unter der Erde - der Raum könnte jede beliebige Größe haben, die Breite einer Stadt, gefliest mit Vögeln, die nicht nur sanft wirken in ihrer zweiarmigen Achsensymmetrie, ihrem von Tritten verdunkelten Gelb und Blau, den einzigen Farben in diesem wäßrigen Zwielicht.
    "Aahhh, verdammt", schlittert Marvy, glitschig vor Schweiß, über den gekachelten Rand in das parfümierte Wasser. Seine Zehennägel, in eckiger Armeefasson, schneiden als letztes unter. "Los, alle Mann mir nach!" ein lautes, fröhliches Bellen, während er Manuela am Knöchel packt und daran zerrt. Da sie selbst schon ein paarmal auf diesen Kacheln ausgerutscht ist und gesehen hat, wie eine Freundin auf diese Weise in den Streckverband kam, wirft sich Manuela geistesgegenwärtig und graziös zur Seite und landet mit dem Hintern und einem lauten Klatschen genau auf seinem Bauch - hoffentlich tut's ihm weh. Aber er lacht wieder nur, prustend hingegeben an die Wärme, die Fröhlichkeit, die Geräusche rundum - anonymes Ficken, Dösen und Behagen. Jetzt hat er eine fette rote Nudel stehen und zwängt sie ohne viel Getue in das ernste Mädchen hinein, das halb verborgen ist in seiner Wolke aus nasser schwarzer spanischer Spitze und seine Augen überall hat, nur nicht in seinen, den Blick in den inneren Nebel gewandt, auf Träume von daheim. Tja, das geht schon in Ordnung so. Schließlich fickt er ja nicht ihre Augen, oder? Er hat es sowieso lieber, wenn er ihr nicht ins Gesicht sehen muß, alles, was er braucht, ist braune Haut, ein geschlossener Mund, diese süße, niggerhafte Unterwerfung. Sie wird alles tun, was er verlangt, yeah, er kann ihr den Kopf untertauchen, bis sie ersäuft, er kann ihr die Hand umbiegen, yeah, alle Finger brechen wie letzte Woche dieser Fotze in Frankfurt. Sie mit der Pistole schlagen, beißen, bis Blut kommt... Visionen schwärmen los, gewalttätig und weniger erotisch, als man meinen möchte -sie handeln mehr von Stoß, Einschlag, Durchdringung und anderen militärischen Werten dieser Art. Was nicht heißen soll, daß er sich nicht genauso unschuldig vergnügt wie du und ich. Oder daß Manuela nicht auch, auf eine beiläufige, gymnastische Weise, Gefallen findet an diesem Auf und Ab auf Majors Marvys hartem rotem Schaft, selbst wenn ihr Geist mit tausend anderen Dingen beschäftigt ist, mit einem Kleid von Sandra, das sie gerne auch besäße, mit Versen aus verschiedenen Liedern, einem Pickel unter ihrem linken Schulterblatt, einem großgewachsenen englischen Soldaten, den sie gesehen hat, als sie zur Zeit des Abendessens durch die Bar ging, den braunen Unterarm, die Ärmel bis zum Ellenbogen hochgekrempelt, auf die verzinkte Tischplatte gestützt... Stimmen im Dampf. Alarmrufe, trappelnde Füße in Badeschlappen, vorüberhuschende Silhouetten, eine graue, wolkige Evakuierung. "Was zum Teufel -" Major Marvy ist gerade dabei, abzuschießen, erhebt sich irritiert auf die Ellenbogen, blinzelt in verschiedene Richtungen, sein Ständer fällt zusammen. "Razzia!" Eine Stimme eilt vorüber. "MPs", bibbert ein anderer. "Gaaahh!" kreischt Major Marvy, der sich soeben der Anwesenheit von zweieinhalb Unzen Kokain in seinen Uniformtaschen entsinnt. Er rollt sich walroßschwer zur Seite, Manuela gleitet von seinem nervös abgeschlafften Schwanz herunter, ihrerseits kaum aufgeregt, aber professionell genug, um zu wissen, daß der Preis jetzt mindestens ein puto und sinvergüenza abdeckt. Aus dem Wasser krabbelnd, auf den Kacheln rutschend, entweicht Duane Marvy, bereits die Nachhut, in einen eiskalten Umkleideraum, nur um die letzten Badenden geflohen und die Schränke bitter leer zu finden, ausgenommen so 'n vielfarbiges, undefinierbares Was-auch-immer aus Samt. "Hey, wo is meine Uniform!" stampft er mit den Füßen, die Fäuste in die Seite gestemmt, hochrot im Gesicht. "Oh, ihr verfluchtn Hurnsöhne", worauf er mehrere Flaschen und Aschenbecher zerschmeißt, zwei Fenster zertrümmert, die Wand mit einem schmiedeeisernen Schirmständer attackiert und sich anschließend im Kopf etwas klarer fühlt. Durch die Decke und von nebenan hört er die schweren Tritte von Kampfstiefeln, das Kreischen von Mädchen, den Schrei einer Grammophonnadel, die quer über die Rillen geschlagen wird.
    Er untersucht dieses Plüsch- oder Samtgebilde, stellt fest, daß es ein Schweinekostüm ist, komplett mit Maske, und überlegt schlau, daß kein Militärpolizist ein unschuldiges, vergnügungssüchtiges

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