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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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sich durch die Träume schluckt und wieder lockert, und vielleicht war's nur eine vögelnde Katze, eine Kirchenglocke in einem hohen Luftzug, ein Fenster, das eingeschlagen wird, ohne Richtung, nicht einmal alarmierend, sofort gefolgt von der alten, der leuchtgas- und lysolgeschwängerten Stille. Und jemand anders findet ihn dann nächsten Morgen. Oder du - du kannst ihn jede Nacht bei Putzi finden, falls du Manns genug bist, auf diese Kröte zu pissen. Der Major ist diesmal mit einem leidlich milden Schlag davongekommen und befindet sich jetzt in ausgesprochen selbstzufriedener Stimmung.
    "Der Warznscheissa hat zwar sein Bestes gegebn", wickelt er einen Arm um Bodines Nacken, "aber ich habse zur Sau gemacht, die Kröte! Yaaah-ha.-ha-ha!" "Hab Ihrn Schnee mit, Major Marvy. Aber 'ne halbe Ampulle fehlt, tut mir leid. Mehr war einfach nicht drin."
    "Is schon gut, Matrose. Ich kenn so viel Schnüffla zwischn hier un Wiesbadn, daß drei Tonnen noch keinen Tag lang reichn würden." Er zahlt Bodine aus, volle Summe, will nichts von einem Abzug für die fehlende halbe Unze wissen. "Nenn's ein kleines Schmattes, Freundchen, so macht Duane Marvy seine Geschäfte. Verflucht noch mal, die alte Kröte hat meim Pullermann aber ganz schön eingeheizt. Verflucht, wenn ichn jetz nich so 'ner kleinen Hure reinstecken will. Hey! Bootsmann, wo krieg ich hier gleich 'ne Muschi her?"
    Der Seemann zeigt ihm, wo's runter ins Hurenhaus geht. In eine Art privates Dampfbad kommt man da erst mal, kann gleich dort ficken, wenn man will, das kostet nicht extra. Die Puffmutter - hey, haha! schaut wie 'n kesser Vater aus mit diesem Stumpen in der Visage! - hebt eine Braue, als Marvy erklärt, daß er 'ne Niggerin möchte, glaubt aber schon, daß sie eine zur Hand hat. "Wir sind zwar nicht das Haus aller Nationen, aber wir bemühen uns ebenfalls um Vielfalt", fährt sie mit der Schildpattspitze ihres Zigarrenhalters über die Liste der Vorbestellungen: "Sandra ist im Augenblick besetzt. Eine Vorführung. In der Zwischenzeit kann Ihnen unsere reizende Manuela hier Gesellschaft leisten." Manuela trägt nichts als einen hohen Kamm und eine Mantilla aus schwarzer Spitze, deren Schattenblumen auf ihre Hüften herabfallen, dazu ein professionelles Lächeln für diesen fetten Amerikaner, der schon an seinen Uniformknöpfen nestelt. "Umpa umpa! Hey, wir sind aber auch schön sonn'nver-brannt, was? Se harn wohl 'ne kleine Mulattin hier, 'ne kleine Mayheecano, was, Schatzi? Du sabe espanol? Du sabe ficki-fik-ki?"
    "Si." Sie beschließt, für heute nacht aus der Levante zu sein. "Ich bin spanisch. Ich von Valencia."
    "Va-len-cia-a-a", singt Major Marvy auf die bekannte gleichnamige Weise, "Senorita, ficki-ficki, lutschi-lutschi, neun-und- sechzig, la-/ala-a-a..." und wirbelt sie in einem kurzen Twostep um das Gravitationszentrum der wartenden Madame. Manuela fühlt sich nicht verpflichtet, mitzusingen. Valencia war eine der letzten Städte, die von Franco erobert wurden. Sie selbst stammt in Wirklichkeit aus Asturien, das ihn als erste Provinz kennenlernte, das seine Brutalität schon zwei Jahre lang zu spüren bekommen hatte, als der Bürgerkrieg für das übrige Spanien erst begann. Sie beobachtet Marvys Gesicht, während er bei Monika bezahlt, beobachtet ihn bei diesem ursprünglichsten amerikanischen Akt, dem Bezahlen, bei dem er mehr er selber ist, als wenn's ihm kommt oder wenn er schläft oder vielleicht sogar wenn er stirbt. Marvy ist nicht ihr erster Amerikaner, aber fast. Die Klientel in Putzis Puff besteht überwiegend aus Engländern. Während des Krieges - in wie vielen Lagern und Städten seit ihrer Gefangennahme 1938? - waren es Deutsche gewesen. Die Internationalen Brigaden hat sie verpaßt, eingeschlossen oben in ihre kalten grünen Berge, noch kämpfend, einen Guerilla der Nadelstiche, als der übrige Norden längst von den Faschisten besetzt war - und die Blumen, Kinder, Küsse, die vielen Sprachen von Barcelona, von Valencia, wo sie nie gewesen ist, die Heimat dieses Abends .. .Ya sa-limos de Espana ... Pa' luchar en otros frentes, ay, Manuela, ay, Manuela...
    Sie hängt seine Uniform fein säuberlich in einen Wandschrank und folgt ihrem Freier hinein in Hitze, hellen Dampf, einen siedenden Raum, dessen Wände unsichtbar sind, während die fiedrigen Haare an den Beinen des Amerikaners, die mächtigen Arschbacken und der Rücken sich dunkel färben vor Nässe. Andere Seelen bewegen sich, seufzen, stöhnen zwischen den Nebelschwaden,

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