Die Enden der Parabel

ihm amerikanische Tochterfirmen und Lizenznehmer wie Chemnyco, General Aniline and Film, Ansco und Winthrop als Zuträger dienten. 1936 ging er nach England, um in einer Position, die niemals frei vom Ambiguitäten war, für Imperial Chemicals zu arbeiten. Er hatte von Slothrop gehört, ja natürlich ... er erinnerte sich von früher... Als Lyle Bland auf seine letzte, transmurale Reise ging, waren wochenlang die grünmarkierten Akten und Berichte durch sämtliche I.G. -Büros geflattert, Geheime Kommandosache, umwittert von Gerüchten und Spekulationen, die verschmolzen und sich wieder trennten wie Teerstoffmoleküle unter Hochdruck -alles um die Frage, wer nun, da Bland ausgefallen war, wohl Slothrops Überwachung übernehmen würde. Etwa zur selben Zeit begann der große Machtkampf um die Nachrichtendienste der LG. Die Wirtschaftsabteilung im Auswärtigen Amt und die außenpolitische Abteilung im Wirtschaftsministerium waren beide scharf drauf, aber auch die Militärs, vor allem beim Wehrwirtschaftsstab, einer Abteilung des Generalstabs, der die Verbindung zwischen OKW und Industrie oblag. Bei der I.G. selbst wurden die Verbindungen zum OKW von der "Vermittlungsstelle W" betreut, die unter Leitung der Doktoren Dieckmann und Gorr stand. Was das Bild zusätzlich komplizierte, war die übliche Ämterdoppelung durch parallele Abwehrorganisationen der Partei, wie sie seit 1933 in allen Branchen der deutschen Industrie eingerichtet worden waren. Der NaziWachhund bei der I.G. nannte sich "Abteilung A" und teilte sich das Bürogebäude - ja wirkte faktisch deckungsgleich -mit der I..G.-eigenen Vermittlungsstelle W. Doch ach, Technologie, goldschenklige und zopfgekrönte Maid: stets schaffst du es, die Schraube anzuziehen bei solchen Griffen. Es wird wahrscheinlich der ständige, ins Haus hereingetragene Grabenkampf zwischen Wehrmacht und Partei gewesen sein, der Schleim schließlich über die Scheidelinie trieb - mehr jedenfalls, als eventuelle moralische Bedenken gegen Hitler. Wie dem auch sei, er erinnert sich jedenfalls, daß die Slothrop-Überwachung einer neugeschaffenen "Sparte IV", einer Unterabteilung der Vermittlungsstelle W, anvertraut wurde. Sparte I befaßte sich mit Stickstoff und Gasolin, II mit Farben, Chemikalien, Buna, Pharma-zeutika, III mit Film und Kunstfasern, IV mit Slothrop und sonst nichts - ausgenommen, davon hatte Schleim läuten hören, ein oder zwei Patente, die man im Zuge irgendwelcher Geschäfte mit der I.G. Chemie in der Schweiz erworben hatte. Ein Analgeti-kum, dessen Name ihm entfallen war, und ein neuer Kunststoff, klang so ähnlich wie Mipolam... "Polimex" oder so ...
    "Hört sich an, als ob es eigentlich zur Sparte II gehörte", war Gloamings einziger Kommentar gewesen.
    "Ein paar Direktoren waren sauer", bestätigte Schleim. "Ter Meer war ein Draufgänger, er und Hörlein genauso. Vielleicht haben sie's zurückerobert." "Hat die Partei dieser Spane IV einen Abwehrmann zugeteilt?" "Müssen sie wohl, aber ich weiß nicht, ob er vom SD oder von der SS war. Von denen wimmelten dort so viele rum. Ich erinnere mich, daß ich ein- oder zweimal einen ziemlich schmächtigen Burschen mit dicken Brillengläsern gesehen habe, der aus dem Sparte-IV-Büro herauskam. Aber der war in Zivil. Den Namen könnte ich Ihnen beim besten Willen nicht nennen."
    Tja, hm, was verflucht noch eigentlich... "Überwachung?" Mexico zappelt nervig, mit Haaren, Binder, Ohren, Nase, Fingern, "die I.G. Farben hat Slothrop überwacht? Vor dem Krieg? Aber weswegen, Gloaming?"
    "Komisch, nicht wahr?" Und Addio, boing, raus aus der Tür, ohne noch ein einziges Wort, so läßt er Roger, dem ein äußerst unangenehmes Licht zu dämmern beginnt, der Sonnenaufgang einer Erleuchtung, blendend, wachsend, am Horizont seines Gehirns, allein. I.G. Farben, was? Und Mr. Pointsman klüngelt dieser Tage beinahe pausenlos mit höheren Chargen von der ICI. Die kartellisiert ist mit der I.G. Dieser Bastard! Er muß informiert sein über Slothrop, schon von Anfang an! Der Jamf-Schmus war nur eine Tarnung für... tja, was, zum Teufel, was ist hier im Gange} Auf halbem Weg nach London (Pointsman hat sich seinen Jaguar wieder angeeignet, so daß Roger mit einem Motorrad aus dem PISCES-Fuhrpark vorliebnehmen muß, der außer dem Motorrad nur noch einen praktisch kupplungslosen Humber umfaßt) dämmert's ihm plötzlich, daß Gloaming von Pointsman selbst zu ihm geschickt worden sein könnte, als Schachzug in dieser obskuren