Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
Vom Netzwerk:
wozu ihn der Name inspiriert hat. "Ich kann sie nicht finden", kommt der Akzent zurück, na also, "ich sehe leider nicht besonders."
    "Tja, schaun wir mal, ob wir Ihnen da nicht helfen können -aha! Was ist denn das? Fräulein Müller-Hochleben!" "Ja... "
    "Wie sieht sie denn aus, unsre Brille?" "Sie ist weiß -"
    "Mit lauter raffinierten kleinen Rheinkieseln rund ums Gestell, Fräulein? Ja?" "Ja, genau, und mit -"
    "Und an den Bügeln auch, u-und mit Federn?" "Straußenfedern... "
    "Männlichen Straußenfedern, gefärbt in einem lebhaften Pfauenblau, die von den Rändern abstehen?"
    "Das ist meine Brille, ja", sagt die grapschende Sekretärin, "wo ist sie, bitte?" "Genau hier", stellt er seinen Fuß drauf, KRACKS, und zerbröselt sie zu einem arktisch-hellen Scherbenhaufen auf Points-mans Teppich.
    "Ich-muß schon sa-gen ..." meldet sich Rozsavölgyi aus der entfernten Ecke - der einzigen des Raumes übrigens, die nicht hell erleuchtet ist, ja, scheint sich um 'ne Art von optischer Anomalie zu handeln, ein simples Zimmer, übersichtlich schachteiförmig (keine absonderlichen Polyeder im Zwölften Haus!) ... und dennoch dieses merkwürdige, unerklärliche Schattenprisma in der einen Ecke ... mehr als ein Besucher ist schon hereingeschneit, nur um Mr. Pointsman nicht an seinem Schreibtisch, wo er eigentlich hingehörte, sondern in dieser Schattenecke vorzufinden - und zwar, was das irritierendste war, mit dem Gesicht zur Wand... Rozsavölgyi selbst ist nicht besonders scharf auf diese Ecke, er hat's ein paarmal versucht, ist aber immer wieder nur mit einem Kopfschütteln zum Vorschein gekommen: "Mis-ter Pointsman, dort ge-fällt's mir nicht. Was-kann es ei-nem Menschen denn schon brin-gen, sich einer der-art "ungesun-den Erfahrung auszusetzen? Hm?" dabei nachdenklich eine Augenbraue wölbend. Worauf Pointsman nur eine um Vergebung heischende Miene aufsetzte, die aber nicht Rozsavölgyi, sondern um Rozsavölgyis willen etwas anderem galt, und sanftmütig sagte: "Dies ist der einzige Fleck im Zimmer, an dem ich mich lebendig fühle." Jede Wette, daß dieser Vorfall ein, zwei Memos rauf in Richtung Ministerium zur Folge hatte. Wenn sie den Minister je persönlich erreicht haben, dann wahrscheinlich nur als Kuriosum zur Büroerheiterung. "Ach ja, ja", schüttelt sich verständnisinnig der weiße Schafswoll-Kopf, fälteln hohe, beinahe slawische Backenknochen die Augen in ein achtloses, aber höfliches Lächeln, "Pointsmans berühmte Ecke, ja ... würd mich nicht wundern, wenn es dort spukte, was?" Reflexhaftes Gelächter der anwesenden Unteren, wenn auch nur angestrengtes Grinsen bei den Oberen. "Schickt doch die Spezialisten von der S.P.R. zu ihm, sich das mal anzuschauen", kichert einer mit Zigarre. "Der arme Trottel wird glauben, daß wieder Krieg ist." "Hört, hört!" und "feine Sache" hallt's durch die Rauchschwaden. Lustige Streiche stehen hoch im Kurs bei diesen ganz speziellen Untergebenen, eine Art von Klassentradition. "Was müssen Sie schon sagen?" brüllt Roger jetzt bereits 'ne ganze Weile. "Ich-muß schon sagen", sagt Rozsavölgyi abermals. "Sie sagen: ? Ja? Dann hätten Sie aber sagen sollen: ." "Hab-ich nicht?"
    "Nein - was Sie gesagt haben, war: Und zwar einmal."
    "A-ha! Aber dann ha-be ich es noch-einmal ge-sagt. Also zweimal."
    "Aber das war erst nach meiner Rückfrage. Sie können mir doch nicht im Ernst erzählen, daß Ihre beiden Teil derselben Aussage gewesen sind", es sei denn, "das hieße, von mir einen ganz unsinnigen Grad von", es sei denn, es ist tatsächlich wahr, "Leichtgläubigkeit zu erwarten, während es bei Ihnen nur auf eins schließen läßt, nämlich", daß wir ein und dieselbe Person sind und unser Wortwechsel folglich nur EIN EINZIGER GEDANKE WAR, iiieh! und das bedeutet: "Irrsinn, Rozsavölgyi -" "Meine Brille", schnüffelt Fräulein Müller-Hochleben, das jetzt auf dem Fußboden herumkrabbelt, über welchen Mexico die Splitter mit seinem Schuh verteilt, so daß sich das unglückliche Mädchen hin und wieder eine Hand oder ein Knie aufschneidet und eine Spur von dunklen, kleinen Blutfäserchen zu hinterlassen beginnt, jedes ein paar Zentimeter lang, was Pointsmans Teppich - vorausgesetzt, sie hat genügend Stehvermögen - über kurz oder lang sprenkeln wird wie die Schleppe einer Beardsley-Robe.
    "Prima machen Sie das, Fräulein Müller-Hochleben!" schreit Roger ermutigend. "Und was Sie betrifft -" doch er unterbricht sich, als er bemerkt, daß Rozsavölgyi inzwischen fast

Weitere Kostenlose Bücher