Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
Vom Netzwerk:
das vage paranoische Gefühl verbreitete, er könnte sich womöglich mit einem fürchterlichen Zauber an dem ganzen Unternehmen rächen, wenn man ihm nicht jeden Wunsch erfüllte. In Wahrheit war er ein Vertreter, dessen Wunsch darin bestand, daß sein Sohn einmal ein Doktor werden sollte, und so kam's ja auch. Aber es mochte an der ghulengiftigen Aura rings um Budapest gelegen haben, daß die Geburt Byrons im letzten Augenblick an Osram in Berlin zurückzediert wurde. Zurückzediert, genau. Vorher gibt's nämlich einen Baby-Birnen-Himmel, wie man das so liebenswertsatirisch untertitelt, ganz als wär's ein Stück Traumfabrik oder dergleichen, Big Business, ha, ha! Aber laßt euch nicht in die Irre führen von denen, es ist in erster Linie eine Bürokratie, und Baby-Birnen-Himmel nur als Abfallprodukt. Oben zwar überall - ja, aus eigener Tasche spendiert die Gesellschaft Quadratkilometer von Organdy, oxhoftweise I.G.-Farben-Babyblau und -rosa, ganze Tonnen von raffinierten Sie-mens-Elektro-Babybirnenschnullern, die den saugenden Birn-chen den Genuß von 110 Spannungsvoll vorgaukeln, ohne dabei auch nur ein einziges Ampere echten Strom zu verbrauchen. Hier wie überall betreiben die Birnen-Bonzen ihre Fassadenklit-terei, Fassaden von Energie, Fassaden von Macht über die Nacht, mit nirgends Wirklichkeit dahinter.
    In Wahrheit ist der B.B.H. eine ziemlich triste Sache. Vom braunen Dachgespärre triefen Spinnenweben. Über den Fußboden marschiert hin und wieder eine Kakerlake. Dann rollen sich die Babies neugierig an ihre Kanten, um mal zu gucken (als Birnen scheinen sie vollkommen symmetrisch zu sein, Skippy, aber vergiß nicht den Kontakt am Ende vom Gewinde!) und glühen schwächlich, uh-guh! uhhh-guh! auf die perplexe Schabe hinunter, die wie gelähmt und zerquetschbar auf den blanken Brettern hockt, von Spasmen geschüttelt wird, von der Erinnerung an das Grauen eines jähen Stromschlags aus dem Nichts, einer funkelnden, alles sehenden Birne hoch über ihrem Kopf. In ihrer Unschuld wissen die Babybirnen nicht, was sie von dieser Abreak-tion der Schabe halten sollen - sie spüren ihre Angst, aber sie ahnen nicht den Grund. Sie wollen einfach gut Freund mit ihr sein. Sie sieht doch interessant aus und bewegt sich hübsch. Alle sind aufgeregt, bis auf Byron, der die anderen Birnenbabies für einen Haufen Flaschen hält. Es kostet ihn einen ständigen Kampf, ihre Gedanken auf das wirklich Wichtige zu lenken.
    Hallo, Babies, ich bin Byron-die-Birne! Ich hab ein kleines Lied für euch, das geht so: Knipst-an euch, scheint! Ihr hellen Baby-Birnen! Oder seid ihr total weich schon in den Hirnen? Kein Grund für so 'n Gehabe, bloß wegen einer Schabe! Ihr werdet ganze Königreiche erben Voll Schaben, die um euer Glühen werben, Wenn ihr erst mal, kopfunter, von eurer Decke runter, Bei Tag und Nacht auf eure eignen Dielenbretter lacht. Sie kommen aus den Löchern, wenn der Tag vergeht, Und werden euch verehren, bis die Nacht sich dreht. Drum leuchtet hell, ihr Baby-Birnen, die Zukunft, die ist euer! Zeigt 'n bißchen mehr Feuer!
    Singt mit mein Lied, und in das rosarote Morgen, zieht!
    Byrons Problem: er ist 'ne alte, alte Glühfadenseele, gefangen im gläsernen Gefängnis einer Babybirne. Er haßt diesen Ort, er haßt es, untätig auf dem Rücken zu liegen und auf die Fabrikation zu warten, ohne andre Unterhaltung als den Charleston aus den Lautsprechern, hin und wieder unterbrochen von einer Rede an die Nation. Was soll ihm das schon bringen hier? Byron will nichts wie raus und dort rein, wo was los ist. Natürlich hat er auch schon alle möglichen Sorten von nervösen Beschwerden entwickelt, von Babybirnen-Windelreizung, wobei es sich um ein korrodierendes Hautleiden am Schraubengewinde handelt, über Babybirnen-Kolik, was ein Widerstandskrampf mit dem Risiko des Ohmschocks in den Spiralen seiner Wolframfäden ist, bis zur Babybirnen-Hyperventilation, was sich wie ein plötzlicher Zusammenbruch seines Vakuums anfühlt, aber rein seelisch bedingt ist, ohne organischen Befund ...
    Als der Tag F endlich anrollt, kann man drauf wetten, daß sich Byron freudig erregt fühlt. Er hat seine Zeit damit verbracht, ein paar wirklich wahnwitzig-grandiose Pläne auszuhecken - er wird die Birnen alle zu organisieren versuchen, wird sich eine Machtbasis in Berlin aufbauen, hat sich auch schon mit der Stro-boskop-Taktik vertraut gemacht, wozu man nur, fast wie beim Yoga, den Trick rauskriegen muß, seine Seele in einer Frequenz flackern

Weitere Kostenlose Bücher