Die Enden der Parabel
zu lassen, die fast genau der Frequenz der Alphawellen im menschlichen Gehirn entspricht, und schon hat man bei den Anwesenden einen epileptischen Anfall ausgelöst! Wirklich wahr. Byron hat eine Vision gehabt, vor dem dunklen Holz des Dachstuhls seiner Säuglingsstation, eine Vision von zwanzig Millionen Glühbirnen in ganz Europa, die auf das Signal eines seiner Agenten im Netz hin begännen, alle synchron strobosko-pisch zu blitzen, bis die Menschen in zwanzig Millionen Zimmern zuckend um sich schlügen wie Fische auf den Stränden der vollkommenen Energie-Vorsicht, Menschenwesen, das war nur eine erste Warnung! Das nächste Mal werden ein paar von uns explodieren! Ha-ha. Ja, wir lassen unsere Kamikaze-Staffeln los! Habt ihr schon vom Kirgisischen Licht gehört? Das ist kaum mehr als ein Glühwürmchenarsch gegen das, was wir vorhaben - oh, ihr habt noch nicht - ach, tja, zu schade. Es gibt nämlich ein paar Birnen, sagen wir eine Million, das warn nicht mehr als 5 Prozent von uns, die es bei weitem vorzögen, in einer einzigen großen Explosion auszubrennen, anstatt geduldig abzuwarten, bis ihre werksseitig zugemessene Brenndauer abgelaufen ist... So träumt Byron von seiner Guerillastreitmacht, ob Herbert Hoover oder Stanley Baldwin, alle wird er sie erwischen, ein einziger, koordinierter Schlag in ihre sämtlichen Fressen zugleich...
Armer Byron, ihm steht ein schmerzhaftes Erwachen bevor! Da existiert nämlich schon eine Organisation, eine menschliche mit Namen "Phoebus", das internationale Glühbirnenkartell mit Hauptsitz in der Schweiz. Es wird im wesentlichen von International GE, Osram und den Associated Electrical Industries of Britain kontrolliert, welche sich ihrerseits, in gleicher Reihenfolge, zu 100, 29 und 46 Prozent im Besitz der General Electric Company von Amerika befinden. Phoebus macht die Preise und bestimmt die Lebensdauer jeder Glühbirne auf der ganzen Welt, in Brasilien wie in Japan wie in Holland (obwohl die holländische Philips der potentielle Störenfried des Kartells ist, jederzeit fähig, auszubrechen und Zwietracht zu säen in der großen Vereinigung). In einem System von solcher allgemeinen Unterdrük-kung scheint es für eine neugeborene Babybirne keinen anderen Anfang zu geben als den von ganz unten.
Aber Phoebus weiß noch nicht, daß Byron unsterblich ist. Er beginnt seine Laufbahn in einer Opium-und-Lesben-Höhle in Charlottenburg, fast in Sichtweite des Standbilds von Werner von Siemens, eingeschraubt in einen Wandleuchter, von dem aus er zum Augenzeugen der mehr sehnend süchtigen Spielarten republikanischer Dekadenz wird. Nach und nach lernt er alle Kollegen in der Kaschemme kennen,
Benito-die-Birne im Nachbarleuchter, der stets nur seine Flucht plant, Bernie am Ende des Korridors in der Toilette, der jede Menge Wasserforscherwitze zu erzählen weiß, seine Mutter Brenda in der Küche, die von Haschischbuletten berichtet, von Dildos, die ganze Fluten von paregorischen Orgasmen in die Kapillarsysteme des Schoßes zu pumpen vermögen, von Gebeten an Astarte und Lilith, die Königin der Nacht, und Reisen in die Wahre Nacht Des Anderen, kalt und nackt auf Linoleumfußböden nach Tagen ohne Schlaf, wenn Träume und Tränen zu einem ganz natürlichen Zustand geworden sind ... Eine um die andere brennen diese Birnen im Lauf der Monate aus und verschwinden. Die ersten Tode treffen Byron heftig. Er ist noch neu auf dieser Welt, hat seine Unsterblichkeit noch nicht akzeptiert. Doch im Vergehen der brennenden Stunden beginnt er, etwas von der Vergänglichkeit der anderen zu lernen. Er spürt, wie es leichter wird, sie zu lieben, solange sie noch hier sind, und wie seine Gefühle intensiver werden. Er lernt, sie so zu lieben, als ob jede ihrer vorgeplanten Brennstunden schon ihre letzte wäre. Byron selbst wird bald genug zum Senior, zum Oldtimer auf Lebenszeit. Die anderen Birnen sehen ihm seine Unsterblichkeit zwar an, nehmen aber niemals offen Bezug darauf, es sei denn auf ganz beiläufige Weise, wenn durch das Netz mal wieder Sagen und Geschichten aus fernen Regionen des Verbunds hereinflackern, Erzählungen von le-gendenumwobenen Unsterblichen wie jener Birne, die in der Studierstube eines Kabbalisten in Lyon hängen soll, der angeblich über Zauberkräfte verfügt, oder jener in Norwegen, die vor einem Lagerschuppen dem bleichen arktischen Weiß mit einem Stoizismus trotzt, der südlichere Birnen schon bei dem bloßen Gedanken in ein kränkliches Flimmern versetzt. Falls es
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