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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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sinnlosen und rückwärtsgewandten Trips! Komm zurück, hierher, zum springenden Punkt. Hier ist's, wo sich die Pfade teilten. Schau dir den Mann dort hinten an! Er trägt 'ne weiße Kapuze. Seine Schuhe sind braun. Er hat ein nettes Lächeln, aber keiner sieht's. Man sieht's nicht, weil sein Gesicht immer verdunkelt ist. Aber er ist ein netter Kerl. Er ist der pointsman, der Weichensteller. Er heißt so, weil er den Hebel umlegt, der die Weichen stellt. Und drum fahrn wir nach Glückstadt und nicht nach Leidstadt. Über die Leidstadt gibt's ein scharfes Gedicht, von einem Deutschen, Mr. Rilke. Aber wir werden's nicht lesen, denn wir fahren nach Glückstadt. Der Weichensteller hat dafür gesorgt, daß wir dort hinkommen. Er hat kaum was zu tun dabei. Der Hebel geht sehr leicht, er läßt sich ganz bequem umlegen. Sogar du könntest ihn umlegen, Skippy. Wenn du wüßtest, wo er ist. Aber schau mal, was für 'ne Menge Arbeit er geleistet hat mit diesem einen kleinen Dreh. Er hat uns alle nach Glückstadt gelenkt statt nach Leidstadt. Das liegt nur daran, weil er eben weiß, wo die Weiche und der Hebel sind. Er ist die einzige Art von Mensch, die sehr wenig Arbeit aufwendet und damit sehr viel auslöst, große Dinge, überall auf der Welt. Er hätte dich genausogut geradewegs zurückschicken können, Skippy, zurück, wo du herkommst. Du kannst deine eigene Phantasie kriegen, wenn du möchtest, und wahrscheinlich verdienst du nichts Besseres, aber Mister Information ist heute abend in Spenderlaune. Er wird dir Glückstadt zeigen. Er wird beginnen, indem er dich an den '37er-Ford erinnert. Weshalb ist dieses gaunergesichtige Auto noch immer auf den Straßen? Du sagtest: "der Krieg", und in diesem Augenblick bist du über die Weiche auf das falsche Gleis gerattert. Der Krieg war die Weiche. Na? Jaja, Skippy, die Wahrheit ist, daß der Krieg Dinge am Leben erhält. Dinge. Der Ford ist nur eins davon. Die Sache mit den Deutschen und den Japsen war nur eine ziemlich surreale Version des wahren Krieges. Der wahre Krieg findet ständig statt. Die Sterbequote sackt zwar hin und wieder ab, aber trotzdem werden Massen von Menschen getötet, vom Krieg. Nur, daß das Töten zur Zeit auf viel subtilere Weise geschieht. Oft mit Methoden, die selbst für uns, auf dieser Ebene hier, zu kompliziert sind, um sie nachvollziehen zu können. Dennoch sterben die richtigen Leute, genau wie auf dem Schlachtfeld die richtigen sterben. Jene, die in der Grundausbildung vor die Feuerlinie laufen. Jene, die nicht an ihre Vorgesetzten glauben. Jene, die ausgleiten und dem Feind ihre Schwäche zeigen. Es sind diejenigen, die der Krieg nicht brauchen kann, und so sterben sie. Die Richtigen überleben. Die andern, sagt man, wissen sogar, daß sie eine geringe Lebenserwartung haben. Aber sie bestehen auf ihrem Handeln. Niemand kennt den Grund. Wäre es nicht schön, wenn wir sie vollständig eliminieren könnten? Dann bräuchte niemand mehr im Krieg zu sterben. Das war doch lustig, Skippy, oder?
    Liebe Güte, aber sicher wär's das, Mister Information! Wow, ich kann's kaum mehr erwarten, endlich nach Glückstadt zu kommen!
    Glücklicherweise braucht er überhaupt nicht mehr zu warten: Einer der Banditen kommt mit einem pfeifenden Geräusch auf ihn zugesprungen, die straff summende, hellbeige Seidenschnur zwischen den Fäusten, gieriges Auf-ihn-Grinsen im Gesicht, und im selben Augenblick schnappt eine Armzange aus einem Riß in den Ruinen nach dem Colonel und reißt ihn in Sicherheit. Der Burmese landet auf dem Arsch und bleibt dort sitzen, versucht, die Seidenschnur zu entwirren, murmelt Scheiße, was selbst Banditen manchmal tun.
    "Du bist unter dem Berg", verkündet eine Stimme. Steinerne Grabesakustik hier unten. "Bitte vergiß nicht, von nun an alle einschlägigen Bestimmungen zu beachten."
    Sein Führer ist eine Art watschelnder Roboter aus dunkelgrauem Kunststoff mit rollenden Scheinwerferaugen. Seine Gestalt erinnert an eine Krabbe, "auf lateinisch Cancer", sagt der Roboter, "und auf kenosha auch!". Es wird sich noch herausstellen, daß er einen Hang zu Einzeilern hat, die keiner außer ihm so recht kapiert.
    "Wir befinden uns in der Backformen-Straße", verkündet der Roboter, "beachte die
    lächelnden Gesichter auf den Häuserfronten. " Die Fenster der oberen Stockwerke
    sind die Augen, die Zaunlatten die Zähne. Die Nase ist die Haustür.
    "Saaag mal", forscht der Colonel, von einer plötzlichen Eingebung übermannt, "fällt
    eigentlich jemals

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