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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Lehrlingen. Ein Raketenstadt-Charlie-Noble, könnte man sagen ... [Ja. Keine schlechte Formulierung. Ich betrüge sie alle ... das schlimmste ist, daß ich genau weiß, was eure Herausgeber wollen, ganz genau. Ich bin ein Verräter. Ich trage es an mir. Euer Virus. Verbreitet von euren rastlosen typhösen Marys auf den Bahnhöfen und Märkten. Es ist uns gelungen, einige von ihnen in unsere Fallen zu locken. Einmal erwischten wir eine Gruppe in der U-Bahn. Es war entsetzlich. Meine Feuertaufe, meine Initiation. Wir jagten sie in den Tunnel hinein. Wir fühlten ihre Angst. Als sich der Tunnel teilte, mußten wir uns an den trügerischen Echos des Untergrundes orientieren. Die Chancen, in die Irre zu gehen, waren groß. Es war fast völlig dunkel. Nur die Schienenstränge glänzten schwach, so wie oben in einer Regennacht. Und dann das Geflüster - die lauernden Schatten, die sich in die Ecken der Wartungsnischen drückten, an die Tunnelwände preßten, die Jagd beobachteten. "Das Ziel ist zu weit weg", flüsterten sie, "kehrt um! Es gibt keine
    Stationen auf dieser Strecke. Die Züge rasen hindurch und die Passagiere ziehen an Kilometern von senfgelben Mauern vorbei, aber es gibt keine Stationen. Es ist eine lange Nachmittagsstrecke ..." Zwei von ihnen entkamen. Aber wir erwischten den Rest. Zwischen zwei Haltezeichen, gelbe Kreide durch die Jahre von Schmierfett und Transit, 1966 und 1971, leckte ich mein erstes Blut. Wollen Sie diesen Abschnitt reinnehmen?] Wir tranken das Blut unserer Feinde. Das ist der Grund, aus dem man auch die Gnostiker stets so verfolgt sieht. Das Sakrament der heiligen Eucharistie bedeutet nichts anderes, als das
    Blut des Feindes zu trinken. Der Gral, der Heilige Gral ist das blutige Gefäß. Weshalb sonst ihn derart heilig halten? Weshalb sonst sollte die schwarze Ehrengarde einen halben Kontinent durchqueren, die Hälfte eines zersplitternden Reichs, steinerne Nächte und winterliche Tage? Doch nicht nur, um die süßen Lippen an einen schlichten Kelch zu drücken? Nein, es ist die Todsünde, die sie mit sich tragen: den Feind zu verschlingen, ihn aufzunehmen in ihre schlüpfrigen Säfte, damit er Eingang finde in alle ihre Zellen. Die "Todsünde", um genau zu sein, wie ihr sie definiert habt. Eine Sünde gegen euch. Ein Paragraph aus eurem Strafgesetzbuch, weiter nichts. [Die wahre Sünde war die eure: solche Vereinigung zu verbieten. Diese Grenzlinie zu ziehen. Uns schlimmer zu halten, als ihr eure Feinde hieltet, die wenigstens gefangen sind auf dem gleichen Feld von Scheiße wie ihr selbst - uns euch fremd zu halten.
    Wir tranken das Blut unserer Feinde. Das Blut unserer Freunde war uns teuer.]
    Objekt S 1706.31, Fragment eines Unterhemds aus US-Navy-Beständen, mit braunem Fleck, wahrscheinlich Blut, in Form eines Schwertes, von links unten nach rechts oben verlaufend.
    Nicht enthalten im Buch der Memorabilien ist diese Fußnote. Der Fetzen Hemd wurde Slothrop an einem Abend in der Chicago-Bar von Seaman Bodine geschenkt. In gewisser Weise war die Szene eine Reprise ihrer ersten Begegnung: Bodine, einen fetten, qualmenden Reefer unter die Saiten am Hals seiner Gitarre geklemmt, singt ein elegisches Lied, das halb von Roger Mexico, halb von einem unbekannten Matrosen stammt, den der Krieg nach San Diego verschlagen hatte:
    Letzte Woche schmiß 'ne Torte ich auf irgendeine Mamma, Letzte Nacht schmiß ich 'ne Party, nur für mich allein, Das letzte, was ich weiß, ist daß die 6:02 am Himmel heulte über mir,
    Es kann auch sein, es war die 11109 ... [Refrain]:
    Zu viele Kettenzäune stehen festgerammt im Abend,
    Zu viele Leute frieren, so als fiele Schnee...
    Sie sagen, endlich hast du's jetzt geschafft und kriegst dein
    Baby,
    Sieht nicht so aus, als ob ich dich je wiederseh ...
    Manchmal möcht ich zurück nach Norden, Humboldt County, Manchmal nach Osten, die Familie wartet längst... Oft hab ich das Gefühl, ich könnt fast glücklich sein, Wenn ich nur wüßte, daß du manchmal an mich denkst...
    Bodine hat eine Kinderpfeife - die Sorte, für welche die lieben Kleinen Schachteldeckel von Getreideflocken einschicken - so in seinem Arschloch plaziert, daß er ihr jederzeit mit einem Furz von hinreichendem Volumen einen Ton zu entlocken vermag. Der Rhythmus der gefurzten WHEEEeees, mit denen er seine Lieder kontrapunktiert, sitzt schon ganz gut, jetzt arbeitet er daran, auch die richtige Tonart zu erwischen, ein brandneuer Reflexbogen, Gehör-Gehirn-Hände-Hintern, und nicht zuletzt

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