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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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hätte genausogut ein rares Erotikon sein können, allein die groben, wie von Hand gesetzten Lettern... die kruden Formulierungen, fast so, als wäre Dr. Horsley Gantts seltsame Übersetzung in Kryptogrammen ausgeführt, deren Klartext schamlose Verzückungen und sträfliche Ekstasen verspräche ... Und wie sehr doch sieht Ned Pointsman in jedem einzelnen der Hunde, die er in sein Gestell spannt, das hübsche Opfer, das an seinen Fesseln zerrt... und sind Skalpell und Sonde nicht ebenso dekorative, ebenso zweckdienliche Instrumente wie Peitsche und Rohrstock?
    Gewiß war jener Band, der diesem Buch vorausgegangen war - die ersten 41 Vorlesungen -, ihm damals, mit seinen 28 Jahren, wie der Befehl einer Frau Venus im Berge erschienen, dem er nicht zu widerstehen vermochte: Harley Street aufzugeben und eine Reise anzutreten, die ihn auf immer weniger begangenen, immer köstlicheren Pfaden immer tiefer in ein Labyrinth aus bedingten Reflexen führte, in dem sich jetzt, nachdem er dreizehn Jahre lang die Garnrolle abgespult hat, der Kreis zu schließen beginnt, er hin und wieder alte Zeichen dafür findet, schon früher hier gewesen zu sein, ihm hier und da die späten Folgen seiner damaligen, jüngeren und schrankenlosen Hingabe begegnen ... Aber sie hatte ihn gewarnt - oder nicht? hatte er jemals zugehört? - vor dieser Rechnung, die ihm unweigerlich einmal präsentiert werden würde, in voller Höhe. Venus und Ariadne! Sie schien ihm jeden Preis wert zu sein, und ohnehin sah das Labyrinth damals viel zu verschachtelt aus für sie, die zwielichtigen kleinen Kuppler, die die Verträge machten zwischen einer Spielart seines Ichs, einem Krypto-Pointsman, und seinem Schicksal ... zu vielgestaltig, so glaubte er, um ihn jemals darin zu finden. Aber jetzt hat er die Gewißheit. Zu tief schon eingedrungen, noch nicht bereit, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, weiß er, daß sie nur warten, steinern und seiner sicher, die Agenten des Syndikats, die ebenfalls auf ihrer Gehaltsliste stehen - am Zielpunkt auf ihn warten, während er langsam näher kommt... Alles gehört ihnen: Ariadne, der Minotauros, sogar, wie Pointsman fürchtet, er selbst. Er erhascht jetzt manchmal einen kurzen Blick auf sie, nackte, lauernde Athleten, deren Atmen er überall in der zentralen Kammer spürt, furchtbare Penisse, mineralisch erhoben, starr wie ihre Augen, in denen Frost oder Glimmer glitzert, nicht Lust, und auch nicht seinetwegen. Sie machen nur ihren Job...
    "Pierre Janet - manchmal drückte sich der Mann wie ein orientalischer Mystiker aus. Niemals kriegte er die Gegensätze klar zu fassen.
    "Über Glaubensfragen will ich nicht mit Ihnen streiten", der Mangel an Schlaf macht Mexico heute noch reizbarer als sonst, "aber ich frage mich, ob Sie und Ihre Sorte nicht ein wenig, nun,
    zu stark auf analytisches Denken fixiert sind? Ich meine, wenn ihr einmal alles in seine Einzelteile zerlegt habt, okay, fein, dann bin ich der erste, der euren Fleiß bewundert. Aber abgesehen von den Trümmern und Teilen, die dann überall herumliegen - was habt ihr damit ausgesagt?"
    Auch Pointsman hat nicht viel für solche Diskussionen übrig. Aber er mißt diesen jungen Anarchisten in seinem roten Schal mit einem scharfen Blick. "Pawlow glaubte, daß das Ideal, das Endziel, das wir alle in der Wissenschaft erreichen wollen, die wirklich mechanistische Erklärung ist. Er war realistisch genug, sie nicht zu seinen Lebzeiten zu erwarten, noch nicht einmal innerhalb der folgenden Generationen. Aber er hoffte auf eine lange Reihe von immer besseren Annäherungen. Seine Zuversicht gründete auf dem festen Glauben an eine rein physiologische Grundlage des psychischen Lebens. Keine Wirkung ohne Ursache, und eine klare Kette von Verbindungsgliedern. "
    "Natürlich bin ich nicht der Spezialist", Mexico will den Mann zwar wirklich nicht verletzen, "aber man hat doch überall den Eindruck, daß Ursache-und-Wirkung allmählich ausgereizt sind. Daß die Wissenschaft, wenn sie überhaupt weiterkommen will, nach weniger engen, weniger ... sterilen Denkmodellen suchen muß. Der nächste große Durchbruch kommt vielleicht erst dann, wenn wir den Mut haben, Ursache-und-Wirkung radikal zum Abfall zu schmeißen und in einer ganz anderen Richtung neu anzufangen."
    "Nein - kein Neubeginn. Es wäre Rückschritt. Menschenskind, Sie sind jetzt dreißig Jahre alt! Es gibt keine . Es gibt nur ein Vorwärts - tiefer hinein - oder ein Zurück."
    Mexico beobachtet, wie der Wind an den

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