Die Endlichkeit des Lichts
eigenen Mutter verlangt — ein paar Gedanken, Abstraktion.
Sexton und Plath, was hätte das gebracht? Mindestens einer ihrer Köpfe wäre in
einem Gasherd gelandet, obwohl Verna Gasherde verabscheute, trotz oder wegen
ihrer literarischen Bedeutung.
Izzys weiße Augen über seiner
geschliffenen, langen Nase die er vorm Geschlechtsakt tief in sie
hineinzustecken pflegte, waren in der Entwicklerlösung erstarrt. Ganz als
hätten sie gewußt, was geschehen würde, nach der Beerdigung des Kirschkuchens,
die weitere Beerdigungen nach sich zog. Monatelang hatte ihre Mutter nichts von
sich hören lassen. Erpressung, sagte Karla, emotionale Vergewaltigung,
Inbesitznahme. Lassen Sie sich das nicht bieten, Verna, bleiben Sie diesmal
hartl Sie blieb hart, ihre Mutter auch. Schubst mich einfach herum, sagte
Verna, ein kapitales Monster. Karla richtete sich so heftig auf, daß ihre
Rückenwirbel knackend einrasteten. Willkommen in der Welt, Verna, ein bißchen
Leichtigkeit und Ironie, so mag das Leben Sie. Ausgerechnet nach dieser Stunde
rief Verna zu Hause an, als Buße, wie sie selbst vermutete. Ein paar
dahingeworfene Sätze, danach der eine Satz, der detonierte und Schutt und Asche
hinterließ. Izzy ist gestorben, Mama, sagte eine Stimme, der ihren zum Verwechseln
ähnlich. Leere zwischen Verna und den Worten, die nicht mehr zurückzunehmen
waren. Izzy ist tot, ein Punkt und Dämmerung. Dabei saß Izzy quicklebendig im
Nebenzimmer auf dem Sofa.
Worte, hell wie Papier. Natürlich
hatten sie ihm nicht geschadet. Als Verna auflegte, erwartete sie zwar, seine
Leiche auf dem Vorleger niedergestreckt zu sehen. Aber im Zwielicht vor dem
Fenster kraulte er abwesend Snodgrass’ dünnen Hühnerhals über einer Lache von
Hundeexkrementen. Er las ein Buch von Sogyal Rinpoche, Funken der
Erleuchtung, ein Streifen Sonne leckte seine Stirn, und die Atmosphäre war
wie Kaugummi. Izzy, sagte sie, er nickte, wirklich und wahrhaftig
quicklebendig. Das verwunderte sie mehr als das, was sie getan hatte: Verna
Albrecht, die Isaak Stern totsagte, um sich mit ihrer Mutter zu versöhnen. Wie
eine unverlangte Gabe wirbelte die Lüge in der Luft, Izzy legte Funken der
Erleuchtung beiseite, und plötzlich hatte ihr Körper in der Welt keine
Geräusche mehr produziert. Es war, als wäre sie selbst gestorben. Auf dieselbe
Weise, wie er vorher den Hund gekrault hatte, kraulte er ihr den Nackenansatz,
und an ihrem Rücken spürte Verna die schwache Wärme von Fell, an den Knien
Nässe von Snodgrass’ Pinkelpfütze.
Erst nach einer Woche meldete sich ihre
Mutter. Izzy meditierte in einer gemieteten Fabriketage, Verna langweilte sich,
kämmte die Hunde und nieste, wenn eine Flocke von Heathcliffs wolligem Haar ihr
in die Nase drang. Plötzlich jaulte er auf, sein weißer Brustfleck ein Blitz,
der durch das Zimmer schnellte. Die Klappe im Briefschlitz klapperte, eine sehr
dünne Karte, van Gogh, Selbstporträt. Verna fragte sich, ob ihre Mutter sich
aus Verzweiflung über Izzys Tod ein Ohr abgeschnitten hatte. Das alles tut mir
leid für dich, Verna, schrieb sie in ihrer zornigen runden Kinderschrift, aber
es ist wohl besser so, das wirst Du später auch einsehen.
Nie hatte Izzy von der Lüge erfahren,
die Vernas Geheimnis blieb, ein Kunstwerk, ein Palimpsest, das ihre Adern
durchdrang und mit ihren Pulsen pulste. Der nächste Frühling war beschwerlich
gewesen. Es kam ihr vor, als hätten sich andere Lügen an die eine geklammert,
vom Luftdruck zu einem großen Stein verschweißt. Ein eckiger Spinell, den
jemand an ihre Stirn geworfen hatte. Magnesium, Eisen, Aluminium, das Rauschen
von funkelnden Farben. Manchmal rumorte etwas in ihrer Brust und kochte sie von
innen gar, bis sie sich wie ein Badeofen fühlte. Spinelle besaßen einen
Schmelzpunkt, der in der Natur kaum zu erreichen war.
Als Izzy Stern wirklich starb, brachte
Verna es nicht über sich, ihrer Mutter von seinem Tod zu erzählen. Kaum ein
Jahr nach ihrer Trennung verschluckte er in einem Zen-Kloster in Kyoto einen
Hühnerknochen, der ihn im freien Flug erwischte, ihm die Speiseröhre aufritzte
und in seinem labyrinthischen Verdauungstrakt hängenblieb. Ein Wunschknochen,
ein zierlicher, V-förmiger Spleiß aus dem Brustbein. Manasse weinte, als er es
Verna erzählte, im Gegensatz zu ihr, die herzlich lachte, weil sie die
Geschichte für einen Witz hielt. Immerhin war Izzy auf Hundeweise gestorben.
Das sagte sie laut, in der Hoffnung, daß er es im Hundehimmel hörte und ihre
Bemerkung
Weitere Kostenlose Bücher