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Die Endlichkeit des Lichts

Die Endlichkeit des Lichts

Titel: Die Endlichkeit des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Riedel
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drückte seine Nase ins Kopfkissen und wartete, daß die
Welt dunkel wurde. Aber nichts geschah. Nur seine Therapie wurde von einem Tag
auf den anderen abgebrochen.
    So lernte Batman, daß Unberechenbarkeit
eine Konstante sein konnte, und auf lange Sicht erleichterte der Vorfall ihm
Trennungen ungemein. Bald schienen ihm Abstürze ganz natürlich zu sein. Letzten
Endes war die Therapie wie seine spätere Beziehung zu Doris Knöchel verlaufen.
Abends legte man noch Geständnisse ab, und morgens war alles vorbei. Doris
hätte er sogar vollständig vergessen, hätte sie sich nicht mit gelegentlichen
Anrufen in Erinnerung gebracht. Zwar tat Antonio vordergründig alles, um ihr
Interesse von sich abzulenken, aber zuweilen erregten die Telefonate sogar
seine Phantasie. Zuerst warf er ihr noch vor, unter einem autonomen Komplex zu
leiden, der sich von ihrer Personalchefinnen-Persönlichkeit abgelöst und an ihn
geheftet hatte. Später jedoch onanierte er manchmal, während sie am anderen
Ende erstickt in ihr Gucci-Kostüm schluchzte und ihn an die schwer
aufzuspürenden Baumwanzen seiner Kindheit erinnerte. Doris lebte ihre Orgasmen
auch immer nur versteckt.
    In der feuchten, dampfenden
Mittagshitze wartete Alakar Macody auf das einzige Taxi des Ortes. Im Haus
läutete wieder und wieder das Pilztelefon. Jedenfalls hoffte er, daß es das
Pilztelefon war und nicht Verna Albrecht mit einer weiteren audiotaktilen
Thermovision. Mit der Zeit würde sie sich beruhigen. Wie Doris Knöchel, deren
Anrufphase abgeflaut war und nur manchmal anschwoll, als sei sie dem Mond
unterworfen. Achtlos streichelte er die Blätter des Vogelbeerbaums. Er stellte
sich Verna vor, wie sie wählte und dabei bis aufs Haar Doris Knöchel glich.
Doris Knöchel, die seine Mutter war. In jeder Hinsicht. Psychologisch
gälte es somit bereits als Inzest, nach Brainonia auch nur ein billiges
Chop Suey mit Verna zu verzehren.
    Manchmal sehnte er sich danach, daß
seine Probleme mit Frauen nicht nur psychologische, sondern auch philosophische
Hintergründe hätten. Aber er wußte, daß Antonio Macody, der Redakteur, schlicht
eine verlockende Zielscheibe gewesen war. Eine Sache, die Frauen wie
Doris Knöchel dringend brauchten. Den Einzelgänger und geschlechtslosen
Autisten, jenen müden, entleerten Landstrich samt ein paar torkelnder
Gedankenwesen darin. Kolonialisierungsgebiet samt Kolonialwarenladen,
Selbstbedienung inbegriffen. Zu den Waffen, Mädchen, schultert das Gewehr! Was
konnte man da machen?
    Nervös zurrte Alakar den Riemen ein
letztes Mal um seinen Koffer. Er fühlte sich verwirrt und schutzlos. Hatten die
Indianer etwa Feuerwaffen besessen, als die Engländer einfielen? Sie waren doch
alle einfach umgefallen, bum, und die Erde hatte sie geschluckt. Andersartige
Beine waren auf ihnen gewandert, Frauenbeine unter Schulterhalftern und
Messerriemen. Ihr Opfer hatte bewunderungsblinde Augen gehabt, verheddertes
Haar, man konnte es kämmen. Zu den Kämmen, Mädchen, macht ihn
gesellschaftsfähig!
    Wind kam auf, die Wolken zerschlissen,
und dünne Streifen überzogen den Himmel, verwaschene Straßen. Dort oben lief
er, Antonio Macody, der unbefleckt empfangene Sohn einer kriegführenden Mutter.
In der Ferne sah Alakar das Taxi kommen. Das Wesen, das Antonio geheißen hatte,
winkte aus den Wolken der bleichen Gestalt mit dem Koffer zu. Alakar Macody,
dem Hofnarren. Sein Gesicht war leer. Es ähnelte diesem erstaunlichen Ort in
der erstaunlichen Bucht. Einem weißen, weißen Fleck auf einer fremdartigen,
abenteuerlichen Landkarte.
     
    Izzy Stern hatte weiße Augen gehabt, so
weiß, wie Augen eben sein konnten. In der türkisfarbenen Kiste mit den
Schlangenmustern hatte Verna ursprünglich Schätze sammeln wollen, Dinge, mit
denen man seine Vergangenheit zusammenhält, Erinnerung. Aber schnell fiel ihr
auf, daß sie solche Dinge nicht besaß. Die Klorollenpuppenwagen hatte ihre
Mutter für sich behalten und verwahrte sie in ihrer eigenen Kiste, um ihre
eigene Erinnerung zu organisieren. Nachdem Verna sie auf therapeutischen Befehl
brieflich als Monster bezeichnet hatte, wurde ihr standhaft die Herausgabe
verweigert.
    Es gibt Dinge, mein Schatz, schrieb
ihre Mutter in dem Antwortbrief, die unverfälschbar sind. Dazu gehören unsere
schönen Bastelarbeiten und Dein alter Harry Hase mit dem abgelutschten Ohr.
Manchmal rieche ich an ihm, und dann weiß ich, was wahr gewesen ist!
    Nicht die Spur einer Entschuldigung
oder gar von Erinnerungsstücken. Es war

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