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Die Endlichkeit des Lichts

Die Endlichkeit des Lichts

Titel: Die Endlichkeit des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Riedel
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sagte Alakar. Wasser
wiegte ihn, und Planken schmiegten sich an seine Füße.
    »Genau die«, sagte Erma beinah
zärtlich.
    »Sind Sie sicher?«
    »Natürlich bin ich sicher. Ich war doch
selbst am Fernseher dabei, als Sie bei den Tele-Funs gewonnen haben. Und die
Anweisung kann mein Gatte bezeugen.«
    »Erma«, sagte er, »das tut mir leid.
Das tut mir wirklich sehr, sehr leid!«
    »Ja, warum denn?« sagte sie. »Was kann
man mit so viel Geld nicht alles anstellen’ Aber es macht einen konfus. Und
heute Abend schon wieder in der Show — mein lieber Mann, Sie kommen ja auch
nicht zur Ruhe.«
    Mr. Eugenides, sagte T. S. Eliot, Händler aus
Smyrna, bartstopplig, Taschen voller Korinthen. Taschen voller Korinthen,
mein lieber, lieber Gott, er sah, wie sechs Nullen über das Wasser zogen, in
die Luft stiegen und die Schwingen der Heringsmöwe berührten. Eine Million.
Meine Million. Die Welt schüttelte sich, glitt aus ihrer Haut und ließ die Haut
wie eine Hülle auf dem bloßen Boden liegen. Und ich habe mich nicht mal bei
Verna Albrecht bedankt. Was habe ich denn geantwortet? War die Antwort korrekt?
Habe ich eine Million gewonnen? Mit Pilzen?
    »Was machen wir nun mit dem Geld?«
sagte Erma Zoffi.
    »Lassen Sie’s«, sagte er, »einfach ein
bißchen liegen.« Einfach, dachte er, was kann das jetzt alles bedeuten.
    »Nur nicht, daß es schlecht wird!«
sagte Erma Zoffi. »Na, ich will sehen, daß ich hier runterkomme. Gute Reise
dann, recht schöne Fahrt, mein lieber Al-kalar!«
    Aber er antwortete nicht, deshalb
wiederholte sie ihre guten Wünsche, und in dem Augenblick, als sie zum dritten
Mal Sauerstoff einsog, vibrierten die Planken unter ihren Füßen. Motorengeräusch
zerschnitt den Raum, und die Fähre legte ab. Eilig versuchte Erma, über das
Halteseil zu klettern, aber Alakar hielt sie geistesgegenwärtig zurück. Da
standen sie, für die Dauer einer unfreiwilligen gemeinsamen Reise knapp über
wildem Wasser, Erma Zoffi und Alakar Macody, der schweigsame Dichter und
Millionär.

 
     
     
    Am Ende: dir zu Ehren:
    die perfekte, die
große Antwort

K ein Kandidat wollte zum Thema Perpetuum
mobile befragt werden, obwohl Verna eine ausgezeichnete Pointe parat hielt: Brainonia. Die Show lief und lief, und keiner wußte, warum. Natürlich
behaupteten die Schleimscheißer, das Verna-Wesen sei das Geheimnis, ein
Geschöpf mit großem Gehirn, kleinem Kopf und einzigartig natürlichem,
naturblondem Schimmerhaar. Die Schleimscheißer machten ihr immer Komplimente,
wenn sie es in der Nuance Starlight nachfärbte. Alle gehörten sie in den
Verein, Annett, Manasse und an ihrer Spitze Kavo, der König von Tele-Fun, der
seinen Nachnamen wie einen Vornamen benutzte. Sein Steinbeißergesicht hockte
wie eine Kröte über Maßanzügen aus synthetischen Materialien. Die Falten des
Krötenhalses überlappten steife Button-Down-Kragen und bewegten sich bei jedem
Wort; beim nächsten Lifting mußte er sich den Kropf am Hinterkopf raffen und
festnähen lassen.
    Seinem Vater, einem Nephrologen und
Hegel-Liebhaber, brach es das Herz, daß Kavos Ausbildungsfonds für einen
Quotensender verjubelt wurde. Als der Nephrologe wie ein Blinder von seinem
Sohn durch die Studios geführt wurde, hatte Verna ein paar Worte mit ihm
gewechselt, und später beobachtete sie durch das Bullauge zum Sprecherraum
seine zerbrechlichen Schultern. Er schien nicht begriffen zu haben, daß Kavo
Hegel beim Wort nahm und alles verneinte, was ihm in die Wiege gelegt war. Omnis
determinatio est negatio.
    Selbst die Toten akzeptierte er nicht
als Vorbilder, denn er entstammte jener sanftmütigen Generation von
Karrieristen, die Worte wie Hierarchie unheimlich und beschmutzend
fanden. Nachdem er seinen Vater in einem Taxi verstaut hatte, verstieg er sich
sogar zu der Behauptung: Wer Chef sein will, kann gleich Hühnerpisse trinken!
Wegen der vielen Mojitos schwappte seine Stimme über, und er duftete wie ein
Minzefeld. Mich kannst du nicht verscheißern, dachte Verna und prostete ihm zu.
Du weißt, daß ich eine Tönung benutze.
    Sobald sie die Gründerzeitvilla betrat,
befand sie sich in einem Drehbuch. Jahrelang hatte sie die Abläufe für die
Kamera einstudiert. Unterkühlte Bewegungen und trippelnde Geräusche, die
nachhallten, weil das Foyer leer wie eine Kirche war. Unter Gottes Blicken
schwebte Verna vorbei an dem Miniaturspringbrunnen und der stattlichen
Kaktusfeige, die Kavo für den Gipfel des Understatement hielt. Dabei hatte
inzwischen jeder Zahnarzt

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