Die Endlichkeit des Lichts
sie darüber nach,
was mit Alakar Macody gewesen war, aber das Wasser fiel und übertönte jeden
klaren Gedanken. Wenn sie nur gewußt hätte, was mit ihr los war. Jemand
berührte sie an der Schulter, Manasse, sein Gesicht ein Brei aus Fragezeichen,
geschliffene, spitze Fragezeichen, auch sie von Wasser überperlt. Darunter
keimte etwas, was Triumph sein mochte oder auch Mitleid.
»Nun, Liebes«, sagte er, »ich hab dich
gesucht!.«
»Gesucht, gefunden !«
»Komm schon, Verna, ich bring dich nach
Hause.«
Als er sie packte, wehrte sie sich
nicht, machte sich nur schwer in seinen Fingern, die Handschellen waren.
Bambusstengel bogen sich, und Blätter murmelten in der Sonne. Manasses Schulter
an ihrer war warm und fleischig, er fühlte sich an wie eine Gummipuppe. Eine
Weile hörten sie auf zu rangeln, saßen nur nebeneinander, bis Verna sich erhob.
»Ich gehe nach Hause, genau das tue
ich, aber pronto.«
Dann schloß sie einfach die Augen. Ein
schrilles Kichern erschreckte sie. Sie taumelte, streifte Manasses Körper,
seinen weichen Körper, und sein Mund kam auf sie zu, sie sog Luft ein, aber
sein Mund roch nach Lippenstift, ihrem Lippenstift, der plötzlich streifig auf
dem Grübchen in seinem Kinn klebte. Ihr Zeigefinger berührte die Farbe,
verteilte sie und rieb.
»Na, sag mal!« sagte Manasse
überrascht. Izzy, dachte Verna, mein Geschenk für dich, und ihre Finger taten
etwas mit seinen Fingern, mit seinem Hals, machten einfach weiter, während
Manasse sich wand, sich hektisch umblickte und stöhnte. Aber schließlich war
Mittag, und sie waren hier draußen allein. Rittlings auf ihm sitzend, seufzte
Verna vor Anstrengung. Hemdknöpfe aus Perlmutt, die reine Verschwendung, und
unter den Hemdknöpfen kamen gekräuselte Haare zum Vorschein, sie erinnerte sich
plötzlich wieder jeder Geste aus der Nacht, in der er nicht kam. Daran, wie sie
es sich selbst gemacht hatte, als er nicht kam, weil er nicht konnte, sie aber
konnte, sie konnte es beweisen. Aber sie schloß die Augen.
Die Rückseiten ihrer Oberschenkel
wurden schweißig, als sie sich auf ihm bewegte, ihre Haut knirschte an seiner,
auch auf seinen weichen Oberschenkeln wuchsen Haare, seidiger als die, die
unter seinem Bauchnabel wucherten und im Nichts verschwanden. Zwischen ihnen
hing ein süßlicher gedämpfter Geruch, Eichhörnchen sprangen auf die Brüstung.
Er konnte sie nicht sehen, aber sie hatte mit den Eichhörnchen ein Geheimnis,
vielleicht ein schlimmes Geheimnis, deshalb wurde ihr übel. Nur kurz, es
dauerte nicht lange. Aber sie schloß die Augen. Einatmen, flüsterte Izzy, ein,
aus, ihre Hände griffen in seine Schultern, knochenloses, nachgiebiges Fleisch,
bald warf er den Kopf zurück und keuchte noch lauter, während sie sich
ungeduldiger bewegte. Izzy atmete nach seiner eigenen Anweisung aus, ein, er
brauchte die Luft, schon rief wieder das Wasser, es brühte, wallte, kochte
über.
Verna aber heftete den Blick auf das
Eichhörnchen.
Fest.
Sie sah die gescheckte Mandarinente,
die in den bräunlichen Schilfblättern kauerte und schlief. Izzys Hals unter
ihren Fingern war feucht, dann naß, glitschig, das Wasser holte ihn.
Fest.
Aber er rührte sich nicht einen
Zentimeter, ließ sie die ganze Arbeit tun. Und sie schloß einfach die Augen.
Wie im Schlaf bewegte sie sich, fort von Izzy, vom Wasser, von der
Mandarinente, die nicht wagte, ins Wasser zu fliegen. Da war ein Stein,
schlafend, war verloren, wurde gefunden, aufgenommen und wartete in einer Hand
darauf, geworfen zu werden. Gehoben und begraben, gesprengt.
Fest.
Als sie schließlich schrie, schreckte
die Ente im Schilf hoch und erhob sich unbeholfen in die Luft. Dann kreischte
eine Feuerwehrsirene, Manasse japste, und Izzy lächelte ihr und dem Himmel zu,
dem Wasser, seinem Zuhause. Starr und kühl, genau so, wie sie es von ihm
kannte.
Gegen Abend verließ Alakar Macody die
Pension, in der Aktentasche einhunderttausend Mark, die er bei der Postbank
abgeholt hatte. Im Vergleich zu den beträchtlichen Schwierigkeiten dieser
Transaktion war es kinderleicht gewesen, Vera Alberts Adresse herauszubekommen.
Bei Tele-Fun hatte er einfach Manasse danach gefragt, der als Omega-Huhn gern
Auskunft gab, weil er stets fürchtete, getreten zu werden. Allerdings sah
Manasse an diesem Tag ausnahmsweise wie ein Alpha-Huhn aus, dem Gutes
widerfahren war. Alakar hatte nicht gewagt, ihn nach Verna zu fragen.
Das Appartement lag am Stadtrand, und
neben der Tür, im Souterrain, war ein
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