Die Endlichkeit des Lichts
Sagen
Sie ruhig weiter Alkalar, es klingt wirklich schön. Ich habe mich schon daran
gewöhnt. Ich mag das, nein, ich mag das wirklich!«
Ihre Augen glitzerten, gleich würde sie
wieder anfangen zu weinen, die haltlosen, aufstoßenden Geräusche produzieren,
die tränenlos gewesen waren und ihn mehr als alles andere trafen.
Aber sie wiederholte nur entzückt:
»An-tooo-nio!«, anders, als Doris Knöchel es je würde sagen können. Bei Vera
Albert klang es wie eine unumstößliche Wahrheit. Darum blieb er sitzen, selbst
als sie ihren Stuhl ganz nah an seinen rückte und aus der Schublade rote
Windlichter kramte, die aussahen wie vom Friedhof gestohlen. Warm und fragend
lag ihr Knie an seinem richtigen Bein. Darum trank Alakar Macody im schütteren
Kerzenlicht noch ein Glas Wein und einige mehr und wiederholte zufrieden:
»Al-kalar! Al-ka-lar!« Unvermittelt erhob sich das Ekzem wie ein strahlender
Vorhang von Veras Gesicht, flog einen Moment zwischen ihnen und legte sich dann
über ihre Köpfe. Alakar war es, der schließlich Veras Hand nahm, weil er wußte,
daß sie eigentlich seine nehmen wollte. Jeder Mann sollte mutig genug sein,
einmal mit einer wirklich häßlichen Frau zu schlafen. Vielleicht war Antonios
Weisheit der Kern der Wahrheit. Aber Alakar hatte keine wirklich häßlichen
Frauen gekannt. Jeder Mann sollte. Das war nicht der Grund. Antonio, hatte sie gesagt, auf diese Weise, sie hatte ein Ei geköpft für ihn, ach Gott,
wie grausam das war.
Der Sommer holte Atem, manchmal regnete
es, und Verna saß tagelang vor ihrem Fenster. Nach einer Woche begann sie
wieder auszugehen und die Umgebung zu entdecken, sie hielt sich jetzt gerader
als früher und war gerne an der Luft. Nach den Tele-Fun-Ferien sollte ihre
letzte Sendung stattfinden, eine Galgenfrist, aber sie redete sich ein, daß es
ein Urlaub war. Niemand hatte gesagt, daß man sich an Galgen nicht erholen
durfte. Alles war erlaubt, nur kein Fernsehen, auch kein Radio, keine Zeitung,
keine einzige E-Mail. Aber schreiben konnte sie trotzdem nicht.
Ihre Zeit hatte sich an der Leitplanke
überschlagen, war mit gebrochenem Rücken liegengeblieben, Sanitäter versuchten
sich an ihr, Stimmengewirr und Stromstöße. Bis eine Stimme aus dem Off Exitus!
sagte. Exitus, das bedeutete, daß alle Mühe umsonst war. Schade, dachte sie,
eigentlich wollte ich so viel gar nicht, nur ein bißchen zufriedener sein. Vor
ihrem Computer erinnerte sie sich an sommerliche Bilder von Leben, die früher
zuweilen in ihrem Kopf waren, an Sehnsüchte, schwebende Abende, Spinnweben und
ein einziges Platanenblatt vor einem Fenster. An das unrealistische, blendende
Bild von großem Licht.
Nachdem sie ihren Schreibtisch
ausgeräumt hatte, stellte Kavo sie im Flur und goß einen Schwall
windschnittiger Sätze über ihr aus. Es ist so schade, sagte er, während er ihr
die Arme locker um den Hals legte, daß ausgerechnet du uns verlassen willst!
Leute wie wir, Verna, die so viel miteinander erlebt haben. Weggenossen,
Kampfgefährten! Ihr Blick verklärte sich, als sie daran dachte, was Tele-Fun
gewesen war, als sie Brainonia übernahm, ein mieser kleiner Werbesender
mit schlechten Einschaltquoten. Kavo winkte und hauchte ihr ein Küßchen auf die
Wange, und erst da fiel ihr ein, daß er sie gekündigt hatte, nicht umgekehrt.
Aber der Gedanke hatte weiter keine Wirkung.
Das Wissen, daß ihr dies alles recht
geschah, machte sie fröhlich, und noch fröhlicher winkte sie Kavo zu und ging.
Es geschieht, was recht geschieht. Ein glanzvolles, mutiges Wissen, das blieb
und sie daran gemahnte, daß sie sterblich war. Manchmal fühlte sie sich morgens
schon wie tot. Aber der Zustand war zu ertragen, bis zu jenem Tag, an dem Kavo
das Gründungsteam zu sich nach Hause einlud, um bei einer Flasche Champagner
die Zukunft zu besprechen. Verna fühlte sich halbwegs versöhnt, beteiligte sich
sogar so lebhaft am Gespräch, daß Manasse ganz schweigsam wurde und nur einmal
mit Armesünderstimme anbot, er könne gern den Lachs aus der Küchenzeile holen.
Annett dagegen, der halbbrüstige Glückskäfer, warf ihr dankbare, lauernde
Blicke zu, die Verna erst einzuordnen wußte, als Kavo verkündete, daß sie ihre
Nachfolgerin werden würde. Im ersten Moment freute sie sich wirklich für das
Mädchen, das sich unruhig in der Gegend des Implantats herumfummelte. Bis sie
begriff, daß die Zukunft, die hier diskutiert wurde, ohne Verna Albrecht
stattfinden würde.
Sie las nun kaum noch Anne
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