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Die Endlichkeit des Lichts

Die Endlichkeit des Lichts

Titel: Die Endlichkeit des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Riedel
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wie er war. Ein
angeschnittenes, zerstückeltes Gesicht. Wahrscheinlich hatte das etwas zu
bedeuten.
    »Die Gedichte lesen Sie einfach vor,
Macody, Junge, wenn der Typ da vorne« — Kavo wedelte mit den Fingern in
Manasses Richtung — »Ihnen ein Zeichen gibt! Sie kommen rein, kleiner Bogen
rechtsrum, setzen sich, schauen kurz in die linke Kamera, dann in die rechte.
Schnitt«, sagte Kavo zu dem Ablaufredakteur, der auf Vernas anderer Seite stand
und nicht Alakar fixierte, sondern Vernas Hut.
    »Wir sind ja«, sagte Kavo charmant,
»alles erwachsene Menschen!«
    Alakar versuchte, sich an seine
Journalistenzeit zu erinnern, an Antonio, smart, wie er war. Aber Zeitungen
waren etwas anderes als dies hier, als Fernsehen, Hitze, die Dunkelheit
dahinter, Kabelgewirr und unendlich viele Hilfspersonen, die man spürte, aber
nicht sah. Der gnadenlose Teppich aus Licht über der Bühne und die Kameras, die
ihn mit zyklopischen, dunklen Augen anblinzelten, die Linsen in viereckigen
Rahmen. Wann war die runde Pupille aus der Kamera entfernt worden und warum?
    Kavo gestikulierte. »Kurz links, dann
rechts, Schnitt! Hat das jetzt jeder verstanden? Totale auf ihn... Schwenk auf
den Spiegel« — die Finger erhoben sich vom Spinett, kreisten — , »danach nur
noch er! Alakar!«
    »Ja, bitte!« sagte Alakar.
    In Zeitlupe hob Verna den Kopf, der
Kopf wendete sich leicht, saß schief auf dem dünnen weißen Hals, und eine
Scheibe aus Licht landete auf ihrem Haar. Sie zögerte, dann blickte sie zu
Boden. Die Dame hat sich entfernt, sagte Eliot, in einem lichten
Kleid, zur Versenkung, in einem lichten Kleid.
    »Macody«, sagte Kavo, »worauf es mir
ankommt... Modulation... immer schön langsam, Junge, und die Pointen betont.«
    »Welche Pointen?« sagte Alakar, sie
konnten ihn totschlagen, aber er wußte nicht, welche Pointen Kavo meinte. War
er der Ansicht, daß es hier um Witze ging? Manasse hechelte, ihm war wohl heiß
von den flirrenden Winden der Ventilatoren. Tansania, die N’gong Berge, ich
hatte eine Farm in Afrika. Hast du den Film gesehen? Die dünne, schweigsame
Verna verweigerte die Antwort.
    »Macody, Junge, denken Sie an gar
nichts. Es ist ja nichts Besonderes, daran denken Sie. Nur Fernsehen. Sie
setzen sich, so... Manasse, geh da rüber und setz dich mal! Dann stellen Sie
sich vor, Sie sitzen in Ihrer Küche und pellen Pilze oder rauchen sich eine.«
Er drehte sich um, schubste Manasse an: »He! Wo ist denn der Aschenbecher für
den Dichter? Warum hat hier keiner einen Aschenbecher besorgt?«
    »Aber ich rauche ja nicht«, sagte
Alakar.
    »Warum nicht«, fragte Kavo gut gelaunt,
»ach, ist auch besser so. Wobei, ein bißchen Qualm, der zur Decke zieht...
optisch... andererseits, die Nichtraucherfraktion.« Hinter dem Kameramann verschwand
Verna, aber nur beinah, das viereckige Objektiv fuhr auf Alakar zu, hinter dem
Objektiv eine attraktive Lederjacke. Manasse saß am Pult, an seinem Pult, und
wendete ein paar Blätter.
    »Lichtprobe!« rief eine Stimme, peng,
ein Spot platzte, jemand schwenkte ein weißes Papier vor Manasses Nase, aber
Manasse schreckte nicht zurück.
    »Willst du ihn so?« fragte der
Kameramann und zeigte auf den Monitor. Wieso willst du ihn, wer will den schon?
Nichts gegen Manasse, ein sympathischer Typ, ein Produktionsleitertyp, den
Verna haßte, Haß saß in ihrem Blick wie eine Qualle. Gedankenverloren zupfte
sie an den dunklen Bändern des Huts, der ein alter Vogel war, die Krempe
beschattete ihre Augen. Was hast du hier eigentlich zu suchen?
    »Kommen Sie, Macody«, sagte Kavo, auf
seiner Stirn ein Schweißfilm unter der Hitze, die vom Himmel fiel. Zebras, Gnus
und Leoparden. »Lassen Sie uns loslegen, Junge, das kostet ja alles Geld!«
    »Ich hatte mir ein paar Gedichte
mitgebracht«, sagte Alakar. Der alte Vogel zuckte auf Vernas Kopf, darunter
ihre Nasenspitze, eine spitze Nasenspitze, die witterte, argwöhnisch vermutete.
    »Hier sind Ihre Gedichte!« sagte Kavo
und klatschte mit der Handfläche auf den Stapel Papier, den Manasse vom Pult
zurückschleppte. »Hier sind Ihre Gedichte, das sind die einzigen Gedichte, die
im Moment interessieren. Ich habe das doch eben gesagt, hatten Sie das nicht
verstanden?«
    »Ich hatte mir erlaubt«, sagte Alakar,
»selbst einige Gedichte auszusuchen, nichts, was die Zuschauer überfordern
könnte, natürlich...«
    »Ja, ja«, sagte Kavo, »später, alles,
was Sie wollen, Macody, darüber reden wir dann. Erst müssen wir aber mal sehen,
was unser altes,

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