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Die Endlichkeit des Lichts

Die Endlichkeit des Lichts

Titel: Die Endlichkeit des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Riedel
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an!«
    »Ich habe mir ein Buch gekauft. Von
deiner Massachusetts-Dichterin.«
    »Von welcher?«
    »Von der, die vorher Damenwäsche
verkauft hat.«
    »Ach die, Anne Sexton. Und, gefällt sie
dir?«
    »So lala.«
    »Rufst du mich deshalb an?«
    »Hab ich doch gesagt«, sagte Manasse,
»sie haben Macody in der Zange!«
    »Welchen Macody?«
    »Den Pilzfreund! Erinnerst du dich
nicht?«
    »Ach, den Macody.«
    »Sie wollen ihm eine Sendung geben.
Kavo sagt, er hat Karat. Gedichte boomen, sagt er. Du weißt ja, wie Kavo ist.«
    »Na dann viel Spaß«, sagte Verna.
    »Schätzchen«, sagte Manasse, »leg jetzt
bloß noch nicht auf. Ich wollte dich um was bitten!« Es war ein komisches
Geräusch in der Leitung, es schabte. Kavo, der die Gespräche überwachen ließ.
    »Schätzchen, es drängt!« sagte Manasse,
»Macodys Casting ist morgen, und ich... also, du weißt, ich verstehe nicht viel
von Gedichten.«
    »Nein?«
    »Ich dachte, ich mache mich einfach mal
kundig. Ein bißchen von Emily Dickinson. Und ein bißchen von deiner
Massachusetts-Dichterin.«
    Keiner ist gestorben, dachte Verna,
keiner ist verloren, niemand hat etwas gesagt.
    »Was ich dich fragen wollte, Süße.
Vielleicht setzen wir uns mal zusammen, heute abend, nur du und ich. Du
könntest mir erklären, worauf es ankommt.«
    »Worauf was ankommt?«
    »Ich meine, du verstehst schon, ich
steh sonst ziemlich blöde da.« Etwas quietschte.
    »Oder morgen. Deine letzte Show. Wir
könnten doch vorher... beim Essen? Ich würde auch bezahlen.«
    »Wieviel?«
    »Süße, um ehrlich zu sein, ich lese
hier seit Stunden, und ich frage mich: Was soll das sein? Gedichte? Wenn du
mich fragst...«
    »Ja?«
    »Ich meine, wenn eine Frau da nebulöses
Zeug über ihre Periode schreibt... und nicht mal in Reimen — na, ich finde, das
könnte ich auch!«
    »...«
    »Wir sind eine Schere, kommen zum
Schneiden zusammen, ohne Handtücher namens Sie. Er. Was sagst du dazu? Fällt einem dazu
noch was ein?« Der Stuhl quietschte lauter. »Wenn jemand über ein Handtuch
gestolpert wäre — das wäre für jeden lustig, erweckt Humor, und du hast die
volle Punktzahl nachher. Aber Schere, das ist doch wirklich albern, Schätzchen,
was?«
    »Ja«, sagte Verna, »das ist es. Ganz
meine Meinung.« Sie schob ihre Handfläche über das Mousepad, bis es quietschte
wie der Stuhl.
    »Was machst du, Süße?«
    »Ich überlege, Süßer, wie ich dir
helfen kann!«
    »Und kannst du?«
    »Aber sicher.«
    »Ach, Schätzchen, dafür bin ich dir
ewig dankbar. Was tun wir denn nun mit dem Zeug?«
    »Welchem Zeug?«
    »Na, mit den Labergedichten von deiner
Laberdichterin. Drei soll ich aussuchen, damit er sie aufsagen kann. Kavo
meint, es ist besser, Macody liest was Fremdes, worauf er nicht gefaßt ist. Ich
soll was Anspruchsvolles nehmen. Wo sie doch alle gleich bescheuert sind.«
    »Dann schieb sie dir in den Arsch!«
    »Was?«
    »Schieb. Sie. Dir. In. Den. Arsch.«
    »Alles, was du willst, Süße! Wenn du
mich nur nicht mit dem Zeug allein läßt. Kommst du nun morgen?«
    »Es ist mir ein Vergnügen«, sagte Verna.
    Hier stehe ich, dachte sie, ich kann
nicht anders. Es ist mir ein Vergnügen. Es tut mir wirklich leid.
     
    Verna Albrecht trug einen alten Vogel
auf dem Kopf, aber das konnte nicht sein, es war wohl eher ein Hut, der Hut,
den Vera Albert niemals würde nachnähen können. Schärpen und Noppen, ein ganzes
Bankett. Hoffentlich trug sie das auch nachher in der Sendung. Vera würde
tagelang davon in Beschlag genommen sein.
    »Kommen Sie, Macody, Junge«, sagte
Kavo, der neben Verna und dem alten Vogel stand und die Kameras verdeckte,
»unser Freund Manasse hier hat ein paar Gedichte vorbereitet. Die sehen Sie
sich jetzt an!« Verstockt hielt Manasse sein Papier fest, Kavos Finger
präludierten, er glaubte, er hätte ein Klavier unter den Händen oder ein
Spinett, ein geheimes Spinett, das sonst keiner sah. Verna Albrechts gesenkter
Kopf unter dem alten Vogel schien ebenfalls in den Anblick von Kavos
beweglichen Fingern vertieft zu sein. Sie hatte Alakar noch keines Blickes
gewürdigt, selbst als sie sich die Hände gaben, nicht. Sie schaute einfach auf
den Boden.
    »Die Gedichte!« sagte Manasse auf der
provisorischen Bühne und tippte auf sein kostbares Bündel Papier. Hinter ihm
stand ein Stuhl, ein hölzerner Stuhl, sie hielten das für angemessen. Ein Stuhl
und ein hölzernes Pult, und auf dem Pult, tatsächlich, ein Spiegel, der Alakar
Stücke aus dem Gesicht schneiden würde, so klein,

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