Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
rauchige Stimme klang ernst, aber nicht aggressiv. Cassidy trat einen Moment zurück und schluckte mit trockener Kehle, bevor sie ihren Namen hervorbrachte.
»Cassidy, hm? Und wie bist du hier hergekommen, Cassidy?«, bohrte die angespannt wirkende Kämpferin unbeeindruckt nach. Das Mädchen bekam das ungewisse Gefühl, dass sie nicht nur aus Neugier fragte. Sie umschrieb in groben Zügen, wie ihre Siedlung am Vortag überfallen worden war und ihr Bruder ihr zur Flucht verholfen hatte. Als es auf einmal erneut im Unterholz knackte, verstummte sie abrupt.
»Hey Angel! Butch meint, der Wagen läuft wieder, wir können – das gibt‘s ja nicht! Du hast schon wieder eine gefunden?«
Verschmitzt grinsend schritt ein gut dreißig Jahre alter Mann mit einer Kalaschnikow in den Händen auf sie zu. Er sah ein wenig schmächtig aus, hatte sich die dunkelbraunen Haare im militärischen Stil abrasiert und trug ebenfalls eine zusammengeflickte Uniform, die sich allerdings durch eine gelbe, mit drei schwarzen Punkten versehene Armbinde von der seiner Kameradin unterschied. Eine Sandschutzbrille mit poröser Gummidichtung verdeckte seine zusammengekniffenen, braunen Augen. Während der Fahrten durch die Wüste oder inmitten heftiger Sandstürme war dieses Utensil zweifelsohne eine große Hilfe, wirkte jedoch genau wie die Armbinde eines Schwerbehinderten nicht besonders kleidsam.
»Ihr Name ist Cassidy«, begann Angel mit eindeutig genervtem Unterton, ohne auf seine Anspielung zu reagieren. »Sie stammt aus einer Siedlung hier in der Nähe, die gestern überfallen wurde.«
»Überfallen?«, fragte ihr Kamerad, dessen Grinsen augenblicklich verschwunden war. »Von wem denn?«
»Das weiß sie nicht«, antwortete die athletische Frau und wendete sich wieder dem Mädchen zu. »Kannst du dich an irgendwas Besonderes erinnern? Symbole auf ihren Fahrzeugen oder Kleidungen? Auffällige Frisuren?«
Cassidy schüttelte den Kopf. Sie war viel zu ängstlich gewesen, um auf solche Details zu achten, doch plötzlich erinnerte sie sich an die Bilder des Buggys, der durch das Zelt raste und dabei den jungen Mann mitgerissen hatte.
»Messer«, murmelte sie verstört. »Lange Klingen. An den Rädern!«
»Vultures«, sprachen die beiden im Chor und in einem Tonfall, der Cassidy innerlich zusammenzucken ließ.
»Victor«, begann Angel nach einer kurzen Pause. »Sag Butch, dass Vultures in der Gegend sind. Er soll zusehen, dass der Wagen an der nächsten Ecke nicht gleich wieder auseinanderfällt. Sie ist hierher gelaufen, es kann also nicht weit weg sein. Die dürfen uns nicht mit runtergelassenen Hosen erwischen.«
Mit bleichem Gesicht nickte der Mann und stolperte den Pikahügel hinab. Angel hockte sich auf den Boden, untersuchte den Wolf und lächelte zufrieden – ein Blattschuss! So blieben Fell und Fleisch erhalten.
»Du kommst erstmal bei uns mit«, entschied sie und drückte der eingeschüchterten Teenagerin die Hinterpfoten ihrer Beute in die Hand. »Na los, hilf mir tragen!«
Gemeinsam schleppten sie das Tier den Hang hinunter. Am Waldrand parkte der Wagen, von dem Victor gesprochen hatte. Ein alter Pick-up mit vergitterter Frontscheibe und Stahlplatten an den Seitenfenstern, die bei Bedarf an notdürftig aufgeschweißten Scharnieren hochgeklappt werden konnten. Er ähnelte stark den Transportern, die von den Angreifern in Cassidys Dorf verwendet wurden, wirkte aber durch seine ausgeblichene, orange Farbe deutlich einladender. Das geräumige Platzangebot bestand aus einer großen Ladefläche, auf der sich dutzende Kanister für Benzin und Wasser, alte Auspuffrohre, Tierfelle, ein Schlafsack und Unmengen weiteren Gerümpels stapelten. Dazwischen befand sich ein fest installiertes Maschinengewehr, das von einer grauen Kunststoffplane vor Staub geschützte wurde. Eine zweite Sitzreihe hinter dem Fahrer ermöglichte außerdem den bequemen Transport von bis zu fünf Passagieren. Vor der geöffneten Motorhaube stand ein großer, breitschultriger Mann mit kurz geschorenen, braunen Haaren. Er trug ein ölverschmiertes Hemd und hielt Werkzeug in den schmutzigen Händen. Ohne Zweifel war das Butch, der versuchte, den Pick-up vor dem nächsten Motorschaden zu bewahren. Als Angel und Cassidy sich dem Wagen näherten, hob er den Kopf und blinzelte freundlich.
»Scheint als hätten wir keinen Moment zu früh eine Panne gehabt!«, rief er den beiden zu. Das Mädchen zwang sich zu lächeln, obwohl ihr der Schock noch immer in allen Gliedern
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