Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
Versteckmöglichkeiten Spinnen und ähnlich nachtaktive Jäger magisch anziehen würden. An eine großflächige Räumung ihres Nachtlagers war bei Dunkelheit nicht zu denken, daher blieb ihr nichts anderes übrig, als die bittere Kälte mit angezogenen Armen und Beinen zu ertragen.
***
Als am Morgen endlich die ersten Sonnenstrahlen durch die hölzernen Baumkronen fielen, erinnerte Cassidy jeder einzelne Knochen an den unbequemen Lagerplatz. Die Hilflosigkeit stand ihr ins verschmutzte Gesicht geschrieben, während sie sich ächzend erhob und den Staub aus ihren strähnigen Haaren schüttelte. Kaum ein Windhauch, der in den dürren Ästen rauschte, keine Menschen, die bereits ihrem Tagwerk nachgingen; sie war allein. Ihre ausgetrocknete Kehle schmerzte, ihre spröden Lippen brannten wie Feuer und ihre taube Zunge fühlte sich wie Sandpapier an.
Ihr vermeintliches Ziel lag nur noch einen Tagesmarsch entfernt, aber die schattige Zuflucht ohne Wasser vor der heißen Mittagszeit zu verlassen, um quer durch die Steppe zu wandern, wäre glatter Selbstmord gewesen. Sie musste die große Hitze abwarten, wenn sie die Wanderung ins Nachbardorf überleben wollte. Ihre blauen Augen starrten apathisch in den toten Wald hinein, während ihre Gedanken unweigerlich zu den Schrecken des vergangenen Tages zurückkehrten. Der leblose Blick ihrer Mutter und das Blut im Sand direkt vor ihr hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Überfälle auf ihr Dorf gab es, seit sie denken konnte, aber nur selten waren die Gangs so brutal vorgegangen. Meist beschränkten sie sich darauf ihre Wasserbehälter am Brunnen aufzufüllen, die Dorfbewohner etwas herumzustoßen und das abgehangene Fleisch zu stehlen. War vielleicht noch anderen die Flucht gelungen? Ihr Bruder wäre mit Sicherheit in dieselbe Richtung geflohen, wenn er die Chance dazu erhalten hätte!
In diesem Moment knisterte es plötzlich im Unterholz und riss das Mädchen aus ihren Träumen. Sofort legte sie sich flach auf den Boden und presste ihren Körper in die tiefe Mulde hinein. Ihre Hoffnung auf Rettung steigerte sich ins Unermessliche, als sie kurze, schnell aufeinanderfolgende Windstöße vernahm. Ihr Bruder war ihr tatsächlich mit den Jagdhunden gefolgt! Ohne lange nachzudenken, streckte sie den Kopf hoch und wollte gerade laut um Hilfe rufen, da stach ihr ein Adrenalinstoß mitten ins Herz. Vor ihren Augen erblickte sie weder Caiden noch einen Hund aus ihrem Dorf, sondern einen grauen, ausgemergelten und äußerst hungrig knurrenden Steppenwolf! In ihren Augenwinkeln tauchte nach und nach ein ganzes Rudel auf; sie war schon längst umzingelt worden. Der lähmende Schock schnürte Cassidy die Kehle zu. Sie versuchte zu schreien, zu weinen, um Hilfe zu rufen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Sie konnte nichts anderes tun, als auf die gefletschten Reißzähne zu starren und ihrem grausamen Ende entgegenzusehen! Vor ihren Augen erschienen Bilder ihrer Kindheit, ihres Bruders, der sie gegen eine Hyäne verteidigte, ihre Wunden nach einem Sturz versorgte und ihr Geschichten vorlas, als sie nach einem Überfall nicht mehr einschlafen konnte. Aber diesmal würde Caiden sie nicht retten können. Diesmal war sie allein!
Da donnerte plötzlich ein ohrenbetäubender Knall durch das Unterholz und schüttelte die letzten vertrockneten Blätter von den verdorrten Ästen. Das halb verhungerte Rudel suchte jaulend das Weite; nur der Leitwolf brach leblos zusammen und begrub Cassidy unter sich. Sie zitterte am ganzen Leib, als der Kadaver ein paar Augenblicke später von ihr heruntergezogen wurde. Es dauerte einen Moment, bis sie die athletische Silhouette einer Frau erkannte, die in der einen Hand den Wolf und in der anderen ein großes Scharfschützengewehr hielt. Sie ließ das Tier fallen und zog das Mädchen aus der Mulde heraus.
»Du kannst rauskommen, sie sind weg.«
Eingeschüchtert stand Cassidy auf und musterte überrascht ihre Retterin. Sie trug eine beigefarbene, flickenübersäte Militäruniform, in deren Ausschnitt man eine alte Kevlarweste erkennen konnte. Als sie ihr hellbraun gemustertes Halstuch herunter zog, offenbarte sich ein lateinamerikanisches Gesicht, das trotz der argwöhnischen Miene zusammen mit ihren langen, dunkelbraunen Haaren eine exotische und gleichzeitig bedrohlich wirkende Schönheit ausstrahlte. Die fremde Schützin untersuchte Cassidy gleichermaßen und zog zweifelnd die linke Augenbraue hoch.
»Wer bist du?«
Ihre tiefe,
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