Die Endzeit Chroniken - Nemesis (German Edition)
mit Angel geschehen war und allmählich wurde sie ungeduldig. Seit drei Stunden schleifte sie die Bacchae quer durch Arnac. Zunächst hatte Jade sich die Stelle angesehen, an der Nadim ermordet worden war. Anschließend sondierte sie in aller Ruhe die Überreste seines eingestürzten Hauses, wo sie zwar die Rückstände einer primitiven Sprengladung aber nirgends eine Spur der versprochenen Informationen gefunden hatten. Was der nervöse Turbanträger Jiao auch immer zeigen wollte, war entweder bei der Explosion zerstört oder zuvor von Scarlet mitgenommen worden.
»Ich werde ein wenig herumfragen«, sagte Jade nachdenklich. Sie schaute sich kurz um und kramte ein paar Münzen aus ihrem Hirschledertrenchcoat. »Gib nicht alles auf einmal aus!«
Mit diesen Worten reichte sie Cassidy die Handvoll Kupfersicar und deutete auf den Marktplatz, der zur Mittagszeit als das brummende Stadtzentrum bezeichnet werden konnte. Nomaden aus der Umgebung und reisende Händler boten alles von Heilsalben über Trockenfleisch und Wasser bis hin zu lebenden Hühnern und Ziegen an. Kaum hatte Cassidy sich von Jade abgewendet, war die enigmatische Schwertkämpferin bereits in der Menge verschwunden. Nun war sie zum ersten Mal seit Wochen allein, mitten in feindlichem Territorium.
Feindliches Territorium, dachte sie und ließ stumm ihren Blick über die aufgeregt feilschenden Händler mit ihren gackernden und meckernden Tieren schweifen. Die mit sich selbst beschäftigten Menschen sahen alles andere als feindlich aus. Die meisten von ihnen unterhielten sich verärgert über das Gefecht vor zwei Tagen und schoben die Ausschreitungen auf Johnnys rebellierendes Gefangenenlager südlich von Arnac. Abgesehen von ein paar aufgetürmten Barrikaden und einer erhöhten Milizpräsenz hatte sich im Vergleich zu Cassidys ersten Eintreffens in der Provinzhauptstadt kaum etwas verändert.
Nachdenklich blickte sie auf die rotbraunen Münzen in ihrer Hand. Sie erinnerte sich an Angels unfreiwillig spendable Bezahlung in der Taverne und zählte die Kupferstücke vorsichtshalber nach. Genau zwanzig Sicar. Damit sollte man doch zumindest etwas zu essen bekommen, dachte sich Cassidy und mischte sich unter das Volk.
Fast jeder zweite Stand bot Fleisch an, meist gegrillt und von zweifelhafter Herkunft. Fleisch könnt ihr in Arnac kaufen, wenn ihr risikofreudig seid, hatte Jiao gesagt. Nun verstand Cassidy die Warnung und fühlte sich auf einmal genau wie die junge Asiatin dem Vegetarismus zugetan. Sie machte einen großen Bogen um die lauwarmen Pfannen, auf denen sich munter Fliegen den Bauch vollschlugen, und trat näher an einen der Obststände heran. Neben einer Vielzahl von getrockneten Früchten bot der Händler auch ein paar frische Orangen an, von denen er gerade selbst eine verschlang. Der Anblick des an seinem Kinn heruntertropfenden Fruchtsaftes ließ Cassidy das Wasser im Mund zusammenlaufen. Seit ihrem Aufbruch von Jades Treffpunkt hatte sie nichts mehr gegessen oder getrunken. Zögerlich näherte sie sich dem Verkaufsstand und zeigte auf die Orangen.
»Eine kostet zehn Sicar!«, warnte der grauhaarige Händler und zog misstrauisch seine zotteligen Augenbrauen hoch.
Cassidy erinnerte sich daran, dass ein komplettes Essen in der Taverne fünf Sicar kostete und sie wirkte in ihren tausendmal gewaschenen Blue Jeans aus der Biosphäre nicht gerade wohlhabend. Nur das moderne Sturmgewehr auf ihrem Rücken verfälschte das Bild des heruntergekommenen Mädchens aus der Wüste. Die einfachen Bewohner von Arnac durften derartige Langwaffen weder kaufen noch mit sich führen, weswegen Jade wohl darauf bestanden hatte, dass sie es die ganze Zeit bei sich trug. Auch die um sie herumstehenden Menschen schienen sie nun erstaunt zu mustern, so wie es die Gäste im Schweinespieß mit Angel getan hatten, als sie der fetten Bedienung mehr als das doppelte für ihre Bestellung bezahlte. Hastig überreichte Cassidy dem Händler die geforderte Summe und machte sich schnellstmöglich aus dem Staub.
Sie setzte sich in eine schattige Ecke am Rande des Marktplatzes, lehnte ihr Gewehr an die Wand und begann vorsichtig die Schale von der Frucht zu lösen, wie sie es bei dem Händler beobachtet hatte. Trotz ihres brennenden Durstes im Hals ließ sie sich Zeit und genoss jedes einzelne Stück der süßen Orange. Dabei schloss sie die Augen und vergaß beinahe die laute Menschenmenge, bis sie plötzlich eine grunzende Männerstimme ansprach.
»Kann ich die mal
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