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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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Luft aufstieg und die Haare auf ihren Armen sich aufstellten. Immer, wenn ein Auto über die Brücke fuhr, vibrierte der Boden unter ihr. Sie schloss die Augen und ließ das Rütteln durch ihren ganzen Körper strömen.
    Die Klappbrücke war nach dem Brückenwärter Hans Knip benannt worden, das hatte sie in der Schule gelernt. Sie fragte sich, was wohl geschehen wäre, wenn sie ihrer Mutter immer so aufmerksam zugehört hätte wie ihrer Lehrerin, dem Frøken Madsen?
    Hat sie mir gesagt, dass sie auf Reisen gehen wird, und ich bin mal wieder zerstreut gewesen? Oder habe ich gerade weggehört, als sie davon sprach, im Zug oder per Anhalter nach Helsingborg zu fahren, vielleicht sogar nach Rødby und dann mit der Fähre rüber auf den Kontinent? Und wenn ich gleich nach Hause komme, steht sie vor mir mit sonnenbrauner Haut und duftet nach Sonnencreme. Sie drückt Lilja so fest an ihre Brust, dass die husten muss, und strahlt mich an, weil sie ihn ruck, zuck aus dem Haus geschmissen hat, denn ihm ist sowieso nicht mehr zu helfen. Und ich werde ein andermal fragen, wo sie denn die ganze Zeit gesteckt hat.
    Sie musste schlucken. Erst jetzt merkte sie, wie sehr es im Hals wehtat, wenn man die Tränen so lange zurückhielt.

W as bringt diesen Kerl dazu, Heidi aufzulauern? Sie mitten am Tag zu betäuben, zu knebeln, zu fesseln? Wie hat er uns hier finden können? Und was meint er damit: Er wisse, dass wir einiges vorhaben demnächst?
    Myrbäcks letzte Frage ging in einem Stöhnen unter. Sassie griff in den Trapezmuskel über seiner rechten Schulter. Sie tastete nach Verhärtungen und Verspannungen, drückte ein bisschen herum und arbeitete sich Stück um Stück über den Nacken bis zum Halswirbel vor. Warm pressten ihre Oberschenkel gegen seine Rippen.
    Er bettete den Kopf auf sein Handtuch und schloss die Augen. Er begann sich zu entspannen.
    Als gegen Mittag der Wind erstarb, hatten sie ihre Badelaken auf dem Holzsteg ausgebreitet. Kleine Wolkengruppen zogen von Westen heran und kreiselten über ihren Köpfen hinweg, bevor sie sich über der See auflösten.
    – Eins nach dem anderen, schlug Sassie vor. Der Messerstecher hat Sassie gequält, weil er krank ist, ein Sadist. Er hat uns aufgespürt, weil er alle und jeden kennt, der Dreck am Stecken hat. Sein Boss, dieser Erkki, ist eine Art lokaler Gangsterkönig, oder nicht? Deshalb weiß er auch von unseren Plänen. Logisch, oder?
    Sie nahm sich seinen Unterschulterblattmuskel vor.
    Sie redet sich die nahende Gefahr klein und massiert in viel zu engen Kreisen, dachte Myrbäck, sie presst an den falschen Stellen, und den großen Rautenmuskel vernachlässigt sie völlig. Dafür aber brachten ihre Massagebemühungen andere Vorteile mit sich. Kaum hatte sie Hand an ihn gelegt, war eine Erektion durch seine zu enge Badehose gestürmt. Wie gut, dass er platt auf dem Bauch lag, auch wenn es schmerzhaft kniff. Um sich abzulenken, fragte er:
    – Wie kommst du auf die Idee, deine Augenbrauen zu bleichen? Auf blond zu machen, wenn sie schwarz sind?
    – Neulich habe ich gebleichte Brauen in einer Modezeitschrift entdeckt. Da fiel mir ein, dass ich sie mir als Mädchen ein paar Mal gefärbt hatte, mal lila, mal rot. Es kam nie gut bei meinen Freunden an, aber ich tat es, um aufzufallen.
    Er stellte sich vor, wie sie bei ihrem nächsten Ausflug aussehen würde, mit blonder Perücke über blonden Brauen über erdbraunen Augen. Er seufzte. Sie würde es als Schmerz deuten, nicht als das, was es war: ein Laut der Wollust.
    Aus halb geschlossenen Augen beobachtete Myrbäck, wie Heidi sich am Strand von ihrem Handtuch erhob. Sie trug einen schwarzen Badeanzug, und ihr Pferdeschwanz ließ sie jünger aussehen. Sie stand eine Weile am Wasser, die Hände auf den Hüften, und spielte mit den Zehen im Sand. Es hatte lange nicht gestürmt. Streifen trockenen Tangs lagen zer pflückt oberhalb der Wasserlinie.
    Sobald er Heidi zu Gesicht bekam, quälte ihn sein Gewissen.
    Noch in der Nacht des Überfalls war sie zu Tode erschöpft aufgebrochen, grußlos. Sie hatte sich von Jan zur Fähre chauffieren lassen und war erst zum Wochenende wieder aufgetaucht. Ich lasse mir von niemandem Angst einjagen, hatte sie angriffslustig getönt, dann aber doch die ersten beiden Nächte mit ihrem Bruder in einem Bett geschlafen. Tagsüber war sie rastlos im Haus und im Garten unterwegs.
    – Stinksauer ist sie, sagte Myrbäck leise. Ich wage kaum, sie anzusprechen.
    – Was sonst. Sie hat für unsere Dummheiten

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