Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)
sollten packen. Auf zur Fähre, mit dem Bus nach Skavsta und rein ins Flugzeug. Ein Billigflug gen Süden. Nach Barcelona. Malaga, weiß der Teufel. Wenn wir rechtzeitig buchen, wird es nicht mal teuer. Wir bleiben drei, vier Monate in der Sonne, dann hat die Welt uns vergessen.
– Ich lach mich tot. Ein Satz noch und ich lach mich tot. Holzapfel warf ein hohles Lachen aus. Er stand über ihm, breitbeinig, in einer zu engen schwarzen Badehose. Er war unbemerkt vom Haus gekommen und hatte sich auf den Steg geschlichen. Ein Handtuch hing über seinen Schultern, sein weißer Oberkörper strahlte im Sonnenlicht.
– Vergiss es, sagte er. Wir kommen aus dieser Nummer nicht raus. Er nahm seine Brille ab, ließ sie auf Sassies Badetasche fallen, stieg über Myrbäck hinweg, trat zum Rand des Stegs und warf sich mit dem Hintern voran in die Luft.
Er schrie gegen die Kälte an, noch bevor er auf dem Wasser aufschlug. Mit Gebrüll verschwand er unter einem Strudel aufpeitschenden Wassers, tauchte mit einem stummen Schrei wieder auf und ruderte mit schlagenden Armen zur Treppe. Pustend warf er sich auf den Steg. Eisige Tropfen platzten auf Myrbäcks Bauch.
– Kalt, keuchte Jan. Er rieb sich trocken und verzog sich auf einen Liegeplatz neben seiner Schwester.
Das war’s mit der Massage, dachte Myrbäck enttäuscht. Jans Auftritt hatte seine prickelnde Laune vertrieben, Sassie rauchte und schlug ihr Buch auf. Kurz fühlte er sich versucht, den feinen Schweißfilm auf ihrem Nacken abzulecken, beließ es dann aber doch bei einem flüchtigen Kuss auf ihren sonnenwarmen Scheitel. Während er den Weg zum Haus einschlug, fragte er sich, wie es ihm gelingen könnte, den Mandelhonigduft ihrer Kopfhaut für alle Zeiten in seiner Erinnerung zu bewahren.
K inderstimmen. Ein Bellen, wie von kleinen Hunden. Der Geruch sonnenwarmer Steine. Sie schlug die Augen auf und ordnete die Dinge. Über ihr hing der noch immer blaue Himmel, eine Spur blasser. Warme Haut an ihrer Haut. Sie sah zur Seite. Holzapfel lag dort, mit geschlossenen Augen, und sein Knie lag halb auf ihrem Oberschenkel. Sein Atem war nicht zu hören, vielleicht schlief er. Sie rätselte, ob diese Berührung Absicht war oder eine schlaftrunkene Geste, unschuldig. Sachte schob sie Jans Bein beiseite und richtete sich auf.
Durch den Strandhafer konnte sie die Köpfe der Kinder sehen. Sie warfen Bälle und scheuchten zwei Spaniels an der Wasserlinie entlang. Wie an fast jedem Wochenende sind die Nachbarn eingefallen, die ganze Sippe. Nette Leute allesamt, wenn nur ihre dämlichen Hunde nicht wären, dachte sie. Überzüchtete Köter, die ihren Schatten hinterherjagten.
Nachdem Myrbäck sie allein auf dem Steg hatte liegen lassen, war sie mit der Sonne in die kleine Sandbucht gewandert. Sie hatte einen Bogen um Holzapfel gemacht und sich neben die dösende Heidi gelegt. Dann war sie eingeschlafen.
Sie stand langsam auf und machte eine Runde durch die Bucht, um wach zu werden. An schattigen Stellen war der Sand dabei abzukühlen. Der vertrocknete Tang zerbrach unter ihren Füßen. Dort, wo er noch im Sonnenlicht lag, umschwirrten ihn tausend kleine Fliegen.
Sie ging zum Wasser, holte tief Luft, nahm Anlauf und warf sich kopfüber hinein. Kälte presste sich auf ihre Schläfen, ihre Augäpfel und die Ohrmuscheln brannten. Sie öffnete die Augen und sah auf senfgelbe Blasenstängel und wogendes Seegras, tauchte ab, bis ihr die grünen Schlingen über den Bauch strichen, und schaffte zwölf lange Schwimmzüge unter Wasser, bis alle Luft aus den Lungen wich.
An Land wurde ihr der ganze Körper warm. Sie hatte Durst. Salzwasser war in ihren Mund gekommen.
– Bist du mit diesem Pflanzensammler verwandt?, fragte Holzapfel. Er lag auf der Seite, den Kopf auf seinem Oberarm.
– Er hat mich beim Baden beobachtet, dachte sie. Was?
– Dieser schwedische Pflanzensammler. Der heißt doch wie du.
– Carl von Linné? Der Botaniker? Nein, verwandt sind wir nicht. Ich bin eine Linné. Er war ein von Linné. Sie musste lachen. Er lachte mit, auch wenn er dabei verunsichert aussah.
Er hat gar nicht geschlafen, schloss sie, die ganze Zeit nicht. Seine Augen sind hellwach. Sein Knie ist nicht aus Versehen auf mein Bein gerutscht.
Vor ihren Füßen lag eine zersprungene Muschel, viel größer als die meisten, die hier angeschwemmt wurden, und ihr Perlmutt glänzte rötlich im Tropfwasser. Sie sammelte sie auf, ging zu Holzapfel und hielt sie unter seine Nase.
– Toll, sagte er. Ich
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