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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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beim Vater in Sicherheit, oder etwa nicht?

D ie Scheibe glitt ins Innere der Türverkleidung. Ruckelte hoch. Und wieder runter. Hoch. Runter. Hoch. Runter. Weniges hasste Sassie Linné so sehr wie warten zu müssen.
    Fünfzehn Uhr vierunddreißig.
    Schweden drückte. Was immer das auch bedeuten mochte auf einem Rasenstück. Die armen Belgier. Steckten in einer Flügelzange.
    Mit durchgedrücktem Kreuz saß sie auf dem Fahrersitz des Jeep Grand Cherokee, den Holzapfel einem Deutschen abgenommen hatte. Am Steuer eines so teuren Autos würde sie nie wieder sitzen, dachte sie und erschrak über der plötzlichen Sorge, die Batterie zu entleeren mit ihrem dummen Zeitvertreib. Sie nahm ein Kaugummi, steckte es der Länge nach in den Mund und drehte es mit der Zunge zu einer Röhre. Das kann nicht jeder, dachte sie. Eine Melodie durch die Röhre zu pfeifen gelang ihr diesmal aber nicht.
    Nicht einmal ihre Aussicht vermochte sie abzulenken. Sie blickte auf eine waldgesäumte Landstraße, wie sie gewöhnlicher nicht sein konnte. Birken rechts und Birken links der Fahrbahn, ihre Wipfel wippten sachte im Wind, der nicht ausreichte, die graue Wolkendecke über ihr aufzureißen. Das Licht fiel von allen Seiten gleichzeitig, es fehlten die Schatten. Ein Stück weiter vorne, wo die Straße in einer sanften Kurve unter der Autobahn verschwand, stand Holzapfel. Sie musste nicht einmal ihre Augen zusammenkneifen, sie erkannte ihn an der schweren Brille, die er über einer Skimaske trug.
    Durch das Seitenfenster winkte sie ihm zu. Jan bemerkte sie nicht. Er war damit beschäftigt, das Schweißgerät und Kabelschlangen aus dem Kofferraum des alten Toyota Hilux zu sortieren. Den Pick-up, erinnerte sie sich stolz, hatte sie selbst kurzgeschlossen. Er sieht nach afrikanischen Dorfstraßen aus, fand sie. Hier, im Niemandsland zwischen den Stockholmer Vororten, wirkte er fehl am Platze.
    Seit Tagen schon hatte Holzapfel an seinem mobilen Schweißgerät für den Ernstfall geübt. Es versprach einfache Handhabung auch mit Handschuhen sowie traumhaft sicheres Zünden, und darauf kommt es schließlich an, hatte Jan gemeint. Auch wenn er sein Gerät nach letzten Prognosen gar nicht würde anwerfen müssen, denn wenn alles wie geplant ablief, und davon waren die Männer ja überzeugt, würde mindestens einer der Geldboten sich vor Angst die Hosen voll machen und die Hecktür des Wagens ohne Murren öffnen.
    Auf der anderen Seite der Autobahnbrücke saß Myrbäck in einem Wagen. Auch er würde jetzt warten. Aber das kann er ja wie ein Sandkorn in der Brandung, behauptet er. Denn irgendwann kommt die eine Welle und spült dich an Land.
    Sie hätte jetzt gern mit ihm gesprochen, oder mit Holzapfel, nicht weil sie sich langweilte, sondern weil sie sich mutlos fühlte. Alles wird schiefgehen, das spürte sie mit jeder Minute deutlicher.
    Auf ihrem Weg waren sie Pontus Dahlin begegnet. Mit einer eleganten Bremsung hatte Poffe seinen Bus quer über die Zufahrt rangiert. Der Bus jedoch war zu kurz geraten für eine wirkungsvolle Barriere. Wer wollte und geschickt war und es eilig hatte wie die Polizei in ein paar Minuten, der würde ihn auf einem Ackerstreifen umkurven können. Das erste Leck in ihrem wasserdichten Plan.
    Leck Nummer zwei: Sobald die Farbpatronen den Kontakt zu ihrem Hauptmagneten verloren, würden sie aktiviert. Dann blieben ihnen dreihundert Sekunden, sie unter all dem Geld auszusortieren und zu entschärfen. Fünf Minuten, aber keiner der Männer wusste wirklich, was sie in den Geldkoffern erwarten würde. Kartuschen, Farbbomben? Wenn wir es nicht schaffen, hatte Göransson gemahnt, dann können wir mit unseren Millionen Monopoly spielen.
    Vom Kaugummikauen taten ihr die Kiefer weh. Sie spuckte das Gummi aus dem Fenster.
    Fünfzehn Uhr fünfunddreißig.
    Mit dem Nagel des Zeigefingers klopfte sie auf das Glas ihrer Uhr. Sie lag schwer am Handgelenk, mit ihrem Gehäuse aus vergoldetem Stahl. Sie hatte die Uhr in einer Umkleidekabine eines Schwimmbades gestohlen, aus der Tasche einer Frau mit einer Kaiserschnittnarbe, die bestimmt vermögend war. Am Morgen hatte sie die Uhr zum ersten Mal angelegt und Mühe zu verstehen, wozu all die Rädchen und Zeiger auf dem Zifferblatt taugten.
    Fünfzehn Uhr sechsunddreißig.
    Sie stieg aus dem Wagen und sammelte das Kaugummi aus dem Gras auf. Sie warf es tief in die Böschung hinein. Keine Spuren hinterlassen, dachte sie.
    Sie beobachtete Holzapfel dabei, wie er seinen Rucksack abschulterte, sich

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