Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)
offensichtlich in engster krimineller Verbindung zueinander standen, und leitete sie via Festnahmeersuchen an die zuständigen Polizeidienststellen weiter. Weil es aus fahndungstechnischen Gründen taktisch geboten schien, trafen an diesem Morgen bereits um sechs Uhr dreißig Vertreter der Strafverfolgungsbehörden in Hallunda und Farsta ein, um die Verdächtigten aus ihren jeweiligen Betten heraus in Gewahrsam zu nehmen. Per Ola Forss und Juhani Puolitaival jedoch hatten ihre Wohnungen gegen jede Gewohnheit bereits verlassen.
Fahndungspanne, dachte Per Ulfung, als er davon erfuhr. Wie doof.
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Weil der Zufall nicht nur das Chaos schürt, sondern gelegentlich nach Symmetrie und Ordnung strebt, geschah es, dass die sterblichen Überreste Zbigniew Nikodem Stanczaks sowie Dirk Raschkes an ein und demselben Tag bestattet wurden, wenn auch hunderte von Kilometern voneinander getrennt. Die Leiche des Polen auf dem Friedhof in Danzig-Lostowice in Anwesenheit einer vielköpfigen Trauergemeinde; anonym und tränenlos dagegen jene des Deutschen in Hamburg-Diebsteich, unweit jener Brandruine im Gewerbehof der Leverkusenstraße, wo er den Tod gefunden hatte.
Aus Sicht der seinerzeit vor Ort anwesenden Polizeibeamten waren keine Anhaltspunkte für einen unnatürlichen Tod Raschkes vorhanden, ein solcher allerdings auch nicht auszuschließen gewesen. Ein Tatortbestand, der sowohl zur sofortigen Anzeige an die Staatsanwaltschaft verpflichtete als auch zu der Aufnahme kriminalpolizeilicher Ermittlungen gemäß Paragraph 159. Nach Aufnahme des Tatortbefundes, der Analyse der Einzelspurenbewertung und Asservierung sowie der Durchführung einer gerichtlichen Leichenschau mit toxi kologischer Untersuchung gem. RiStBV (Blut, Urin, Magen, Haarprobe) waren schlussendlich sämtliche Ermittlungen im Todesfall des Dirk Raschke eingestellt worden.
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Wie kacke ist das denn? Am Schreibtisch seines Büros in der Merianstraße in Köln-Chorweiler saß derweil Alexander B. schwitzend vor seinem Kollegen und marterte sich bei dem Gedanken, wann, zu welchem Zeitpunkt er seinem Schicksal eine Wendung hätte geben können. Eine Wendung zum Guten. Nicht mitten hinein in die Fänge seines Gegenübers.
– Das bekanntermaßen niedrige »Pisa«-Niveau der deutschen Spione ist eine Sache. Die totale Beschränktheit einiger seiner freien Mitarbeiter eine andere.
Da hatte der Heini vom BSI mal einen Punkt. Ja, wer waren diese Pfeifen, die er selbst nach Schweden geschickt hatte, um Jana Z. ausfindig zu machen? Ihr auf die zartgliedrigen Finger zu sehen?
Beide in Berlin aufgewachsen, gemeinsamer Schulbesuch, gemeinsame Jahre beim Militär, bei den Panzertruppen in Münster. Ausbildung zu Diplomsportlehrern. Beide waren sie Meister im Taekwondo und Special-Forces-Combat-Karate. Drei Jahre für den BND unterwegs, Abteilung Fünf, Organisierte Kriminalität. Kurz: Zwei windige Kerle, aber durchschlagskräftig. Furchteinflößend. Wie hieß es so schön? Wer einen Sumpf trockenlegen will, darf sich dabei auch schmutzig machen.
Was Alex B. hier besser verschwieg, weil er selbst es nicht gewusst hatte: Jana Z. und die beiden Kerle waren sich vor Jahren schon über den Weg gelaufen. Ein paar gemeinsame Einsätze als NoePs im Drogenmilieu, als »nicht offen ermittelnde Polizeibeamte«. Er hatte also die Pest geschickt, sich die Cholera zu holen. Was den Kollegen aber nichts anging. Ein paar Brocken aber würde er ihm noch vor die Füße werfen.
– Na ja, die Abteilung Fünf wurde nicht glücklich mit den beiden. Nach ihrem Rauswurf vom BND traten sie in Hessen als Scheinkäufer für Drogengeschäfte auf. Dort sind sie aus dem Ruder gelaufen, sogar die Parlamentarische Kontrollkommission hat sich mit ihnen beschäftigt.
– Ja, so traurig knicken manche Karrieren ab. Die Stimme des Kahlkopfs war zuckersüß, sein Kopfnicken allzu verständnisvoll.
Fuck off, Freundchen!, wollte B. rufen, ging jedoch erst einmal in sich. All dies sollte er ganz allein in die Grütze gehauen haben? Nein, ein Bauernopfer würde er nicht abgeben. Nicht mit ihm. Nicht mit Alex B. Dem Mann der klugen Schritte.
Auf einer Abschaltvereinbarung zur Trennung zwischen Verfassungsschutz und Objektschutz hatte er schlauerweise bestanden. Was auch immer geschah, es würde nicht leicht sein zu beweisen, dass B. den seinem Wesen nach illegalen Auftrag an Jana Z. gegeben hatte. Ihn würde niemand an den Eiern kriegen. Und wie vorausschauend, dass er seine Kekse vor dem Besucher
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