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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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und ihn abgeküsst, ihre Zunge tief in seinem Mund. Aber nur fast.
    In der Ferne schwenkte ein Kleinlaster auf die Ausfahrtspur.
    – Mach schnell, rief sie ihm zu.
    Kaum hatten sie die Mitte der Autobahnbrücke erreicht, blieben sie stehen und blickten sich um. Der Transporter verlor an Geschwindigkeit, sein Fahrer bremste ab, sah aber zu spät, was da auf seinem Weg lauerte. Ein letzter Bremsversuch missglückte, und mit einem Knallen, das sie bis hier oben hörten, platzten gleichzeitig die beiden Vorderreifen. Der Wagen brach mit dem Hinterteil aus, rutschte in seiner Schräglage ein paar Meter die Ausfahrt bergauf und kam quer zur Fahrbahn zum Stehen. Die Fahrertüre öffnete sich, und ein Mann sprang heraus. Sein vollkommen ratloses Gesicht konnte sie noch sehen, bevor sie den Gang einlegte und losfuhr.
    Drei weitere Zufahrten hatten sie und Myrbäck noch zu blockieren.

Ü ber Nacht sind zweiunddreißig Scheiben in ihrer Schule zerschlagen worden. Ein Spaziergänger hat drei Jungen weglaufen sehen, als er gegen zwei Uhr nachts an den vorderen Gebäuden entlangspazierte. Seit dem Morgen sind die Handwerker der Kommune und beide Glasereien des Ortes mit den Reparaturen beschäftigt. Und ich hänge zwei Stunden lang am Telefon. Dabei bin ich krankgeschrieben. Das erste Mal, seit ich vor Ewigkeiten meinen Unterarm gebrochen habe in Hassela, mit der Schlaufe des Skistocks blieb ich am Kettenlift hängen wie das Vieh im Schlachthof. Nicht dass mir heute etwas fehlte. Ich will nur zur Stelle sein, weil nämlich mein Bruder heute in Schwierigkeiten gerät. Todsicher. Er und seine Kompagnons.
    Man nimmt sich tausend Dinge für den Tag vor, dachte Heidi Olofsson, man macht eine Liste, und es kommt doch ganz anders.
    Sie stand im Garten. Gleich würde die Sonne über den First des Hauses steigen, und sie begann, Betttücher und Kopfbezüge auf die Trockenleine zu hängen. Es war ihr die liebste aller Hausarbeiten. Aber es ärgerte sie, dass die Wäscheklammern so leicht zerbrachen, weil die Lövgrens sie unbeschwert an der feuchten Seeluft überwintern ließen; es sorgte sie, dass es im Klo neuerdings schlammig blubberte, wenn man die Spülung zog; es bereitete ihr schlechte Laune, dass sie gleich die nächste Ladung Kleider in die Maschine würde stopfen müssen, weil ihre Tochter nur noch vorbeikam, um die Schmutzwäsche bei ihr abzuliefern, und sich dann wieder zu ihrem Vater verkrümelte, weil es hier mal wieder voll ist wie auf einem Schärendampfer, dachte sie, und vielleicht war ihre aufkochende Empörung schuld daran, dass es ein paar Momente brauchte, bis sie begriff, wie still es um sie herum geworden war. Sie hörte ein elektronisches Zirpen, ein fremdes Geräusch, das sie nicht zuordnen konnte. Mit klammen Badetüchern in Händen stand sie da und konzentrierte sich auf dieses Zirpen. Hinter ihrem Rücken schien es lauter zu werden, und plötzlich perlte ihr eine Gänsehaut über beide Arme.
    Sie drehte sich um.
    Der Mann stand vor ihr, keinen Meter entfernt. Er musste sich herangeschlichen haben. Unwillkürlich hob sie die Hand.
    Woher kenne ich ihn?, fragte sie sich. Wo habe ich sein Lächeln gesehen? Es ist unbeweglich, es erinnerte sie an das Lächeln aus einem Stummfilm.
    – Hallo, sagte sie leise.
    Das Lächeln fiel von seinem Gesicht. Er streckte seinen linken Arm aus. In seiner Faust hielt er ein Ding, das aussah wie die riesige Zange eines urweltlichen Käfers und schwarz im Sonnenlicht erglänzte, das in diesem Augenblick über dem Dach des Hauses aufstieg.
    Die harten Falten im Gesicht des Mannes waren ihr schon einmal aufgefallen, die bitteren Mundschwünge, und sie hatte sich gedacht, dass dies kein schöner Mann sei. Er hatte im Bus zwei Sitzreihen schräg vor ihr gesessen, er hatte ihr den Käfig mit den Kaninchen bis zum Fährdampfer getragen, bis hin auf ihren Sitzplatz im Salondeck, und war dann wortlos in Richtung Oberdeck verschwunden, ein Tourist, was sonst? Jetzt aber griff er ihr mit seiner freien Hand an den Hals und drückte sie nach hinten. Sie stolperte ein paar Schritte, verlor das Gleichgewicht und die Wäsche aus den Händen, doch bevor sie ihren Sturz erlebte und das Aufschlagen ihres Hinterkopfes auf dem Gras, stieß seine Käferzange an ihren nackten Arm, und wie ein Zug fuhr der Strom durch sie, ein grüner Blitz tanzte vor ihren Augen, Eiseskälte schob sich über ihre Haut, aber sie schaffte es immerhin noch zu denken, dass zum Glück ihre Tochter so eigensinnig war und

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