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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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Mannes.
    Sein Sabotageakt würde die geplante Elbvertiefung nicht verhindern, nein, höchstens verzögern, aber den Trotteln bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord war für ein paar Wochen ein wichtiger Wasserweg versperrt worden.

D as Warten geht mir auf den Sack. Und dieser Kaffee, den ich immer dann trinke, wenn ich nicht sollte. Mein Herz hämmert. Ich muss pinkeln.
    Schlauer hatte es Holzapfel gemacht. Der hatte, als sie am Morgen ihre Sachen packten, Branntwein in seinen Tee geschüttet. Keinen Schuss fürs Aroma, nein, ein ganzes Wasserglas voll. Das hilft mir, wenn ich die Hosen voll habe, hat er gemeint.
    Jetzt steht er dort drüben mit seiner Skimaske, aber an seiner Brille erkenne ich ihn sofort. Der Experte für Korrosionsschutz ist dabei, sich die Kabel und Leitungen des Schweißgeräts zurechtzulegen. Dabei kratzt er sich aber ständig unter der Gesichtshaube, weil sie natürlich zu warm ist, wenn man sich gerade eben ein paar Grad zusätzlicher Körpertemperatur eingeflößt hat. Weil es gegen volle Hosen hilft.
    Myrbäck selbst hasste es, die Skihaube zu tragen. Seine Kopfhaut juckte, sobald er sie nur ansah.
    Ein Pfostenschuss. Glück gehabt. Noch führten die Schweden. Gegen Belgien darf man das ja wohl erwarten.
    Wenn Classen ihn jetzt sehen könnte. Seinen Ex-Kollegen samt Familie hatten sie nach Stockholm geschickt. Ihr könnt nicht nach Schweden fahren und die Hauptstadt auslassen, hatte er erklärt. Und ihnen das Vasa-Museum ans Herz gelegt. Die ganze Blage würde bis zum Abend beschäftigt sein.
    Warten. Warten habe ich immer gekonnt. Dachte ich.
    Ihm fiel seine Großmutter ein, die müßige Stunden dazu genutzt hatte, ihr Daumenpaar in einer Art Windmühlenspiel umeinander rotieren zu lassen. Als Kind war ihm das wie eine Behinderung vorgekommen; heute deutete er ihre kreiselnden Endlosschleifen als eine religiöse Tätigkeit, nahm sie als Gebete an die gnadenlosen Götter der Zeit.
    Das Auto, in dem er saß, roch wie neu. Als Kind war ihm von diesem Geruch brechübel geworden. Es war der strahlend weiße Volvo XC90, den Heidi und Jan auf dem Parkhof einer Autovermietung gestohlen hatten. Heidi. Wer hätte das gedacht? Heidi, die Gangsterbraut.
    Da winkte ihm jemand zu. Gilt das mir?, fragte sich Myrbäck und kniff die Augen zusammen. Ja, es war Göransson, an einem ledernen Schulterriemen zu erkennen, an dem Messer, das er an seinem Gürtel trug. Der Jägermeister war eingetroffen.
    Sein Winken war ein Signal. Ein Countdown.
    Zehn Minuten Wickelzeit haben sie in Trångsund, neun in Skogås, sechs sind es in Länna. Myrbäck hatte es sich eingeprägt. Von Länna aus brauchen sie 160 Sekunden bis zur Unterführung in Vega. So soll es geschehen.
    Um sicherzugehen, sah er noch einmal rüber. Da stand plötzlich ein Mann mehr. Und wenn ihn seine Augen nicht täuschten, dann war es tatsächlich der Finne, der Messerstecher mit dem hinkenden Bein. Der Handlanger jenes Mannes, den sie vorn auf seinem Dodge spazieren gefahren hatten. Dem sie sehr viel Geld schuldeten. Der Jukki geschickt hatte, ein Auge auf sie zu halten.
    Wider alle Empfehlungen seines Verstandes, wider sein Bauchgefühl, das zur sofortigen Flucht riet, letztlich auch gegen die sich überschlagende Stimme eines Radioreporters, der gerade von einem Konter der Belgier über die linke Außenbahn berichtete, griff Myrbäck nach dem Beifahrersitz und nach dem Gewehr und nach seiner kratzigen Skimütze.

Christiania, November 1985
    Die Aktivisten quatschen einfach jeden nieder, sagte die Frau mit dem Kopftuch. Keiner sonst darf sagen, was die Revolution war, keiner.
    Mit dem freien Sexualleben ist es auch so eine Sache, sagte die jüngere Frau neben ihr. Ich kenne einen Haufen Leute, die wegen ihres Sexuallebens unglücklich sind. Irgendwie produziert diese Freiheit, die Christiania uns gewährt, nichts Neues, und irgendwie empfinde ich sie als unnütz.
    Ich bin neulich von einem angequatscht worden, der ging mir so ungefähr bis zur Schulter. Ich möchte übrigens mit dir vögeln, sagte er, als wenn es eine Wohltat wäre. Statt ihm auf die Fresse zu geben, habe ich gesagt, ich bin erkältet.
    Es war spannend, was die beiden Frauen da miteinander besprachen. Sie stapelte die schmutzigen Teller übereinander und strich die Brotkrumen mit einer Papierserviette vom Tisch. Sie tat es sorgfältig, in der Hoffnung noch mehr zu hören. Sie wurde belohnt.
    Es sind die Männer, die uns weismachen wollen, dass es normal ist, überall und

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