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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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her, hin und her.
    Ich blute wie ein Schwein. Schreien möchte ich vor Schmerz. Aber Schmerzen kann ich gebrauchen. Seit ich weiß, wozu sie gut sind.

D as Pech kennt keinen Durchschnitt, sagte Myrbäck. Es hält sich nicht an Statistiken. An die Gesetze der Wahrscheinlichkeit.
    – Sag bloß. Sassie trat zu ihm ans Ende des Badestegs und legte sich auf den Bauch. Beide schoben sie ihre Köpfe über den Rand und sahen dem Kreiseln einer ertrunkenen Libelle zu, die mit der Strömung hin und her wogte. Kleine braune Fische umschwammen einen Mopedauspuff, den jemand vor Ewigkeiten auf dem Grund hatte liegen lassen.
    – Forss werden sie festgenommen haben, meinte sie, mit seiner Schusswunde. Poffe ist tot. Dick-Aku und Göransson, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie entkommen konnten. Zu Fuß. Behäbig und alt wie sie sind.
    Er nahm ihre Hand. Sie war warm und feucht, auch zwischen den Fingern.
    – Und Juhani?, fragte sie.
    – So wie er humpelte? Aber wer weiß? Wir können nur hoffen, dass er eingesackt wurde. Er und die anderen. Für alle Zeiten.
    Myrbäck befühlte sein angeschwollenes Auge.
    – Wie sieht es aus?, fragte er.
    – Wenn man genau hinsieht, ist es blau und rot. Beides zusammen ergibt ein Veilchen. Wo hast du es dir geholt?
    – Kann mich nicht erinnern.
    – Warum hat Juhani auf die Geldfahrer geschossen?
    – Er ist gewalttätig. Tollwütig.
    Myrbäck unterdrückte ein Gähnen. Er war sterbensmüde, aber es zu zeigen, kam ihm unpassend vor angesichts der Schrecken, die hinter ihnen lagen.
    – Weiß Forss, wo wir leben? Weiß es Göransson?
    – Irgendwo auf den südlichen Inseln, mehr habe ich nie verraten. Es interessierte niemanden. Myrbäck spürte, dass hinter seinen Worten eine traurige Gewissheit lauerte: Die stillen Tage im Ferienhaus der Lövgrens waren gezählt. Auch die schönen Nächte.
    – Wer will, der findet uns, schloss er. Eher früher als später.
    Über Poffe verloren sie kein weiteres Wort. Auch nicht über den Fahrer, dem Juhani ein Loch in den Fuß geschossen hatte.
    Ich schäme mich, dachte Myrbäck. Aber sind wir schuld an Poffes Tod? Schuld, weil wir den falschen Sprengstoff besorgt haben? In ihm glimmte die Furcht, dass er sich diese Fragen immer, immer wieder würde stellen müssen.
    – Was glaubst du?, fragte Sassie, werden die Fahrer dich wiedererkennen?
    – Wenn der Schock nicht ihre Erinnerung ausradiert hat. Wenn ich Pech habe.
    – Das hast du eigentlich immer. Sie bettete ihre Wange auf das sonnenwarme Holz des Stegs und sah ihn an.
    Ihr Gesicht war völlig offen, ganz arglos. Er erschrak, weil es ihm auf einmal fremd vorkam. So, als habe das Erlebte ihre regelmäßigen Züge durchgerüttelt und hastig neu geordnet. Eine seltsame Asymmetrie erkannte er jetzt und eine düstere Schwärze in ihren braunen Augen.
    – Es stinkt nach Tang und toten Fischen, sagte sie.
    Er schnupperte, konnte aber nichts riechen. Trotzdem meinte er:
    – Das kommt wohl vom Tiefdruck.
    – Nein, es ist die Ostsee.
    Als sie zum Haus zurückkehrten, fragte sie:
    – Wann wird uns Heidi besuchen?
    – Ja, was weiß ich? Sie hat in der Schule zu tun. Konferenzen, Fortbildung. Vielleicht kommt sie zur nächsten Woche? Vielleicht lässt sie’s bleiben, weil sie die Nase voll hat von uns.
    Sven Classen stand im hohen Gras vor den Apfelbäumen und grillte Würstchen. Der Wind trug ihren Bratgeruch in Myrbäcks Nase. Classens Töchter waren dabei, den Gartentisch zu decken. Umständlich trugen sie jeden Teller und jedes Glas einzeln, Brotkorb und Wasserkanne mit höchster Konzentration.
    – Gute Würste gibt’s nur bei uns, sagte Classen. Ich habe sie extra aus Deutschland mitgebracht. Knackwürste, Nürnberger. Dank dir für den Tipp mit der Vasa. Die Skelette sind zum Gruseln. Da weiß doch kein Mensch, welche Knochen zu welchem Matrosen gehören, oder?
    Myrbäck nickte.
    Es war Holzapfel, der am Küchentisch stand und Carla Classen beim Schälen der Kartoffeln zur Hand ging. Die Kartoffeln dampften vor Hitze, aber Jans Hände schienen unempfindlich. Ein Pflaster klebte auf seinem Kinn.
    – Die Classens müssen verschwinden, sagte Jan, als sie allein in der Küche standen. Hier ist niemand mehr sicher.
    – Wie soll ich ihnen das beipulen?
    – Erzähl ihnen was vom Besuch irgendeiner verdammten Verwandtschaft. Sag ihnen was von Mumps und Röteln, was weiß ich.
    Myrbäck war ratlos. Trotzdem nickte er.
    Beim Essen sprachen sie über die Geschicke der »Via Appia«. Die Firma war mit

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