Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)
Herd erwärmt und sie dort vergessen. Der Rauch steigt auf in meinen Kopf und wirbelt dort herum wie in einem Dampfkessel.
Myrbäck zog sie hoch. Er hatte wirr auf sie eingeredet, aber jetzt griff er ihr unter den Arm und stieß sie voran. Quer die Böschung hinauf, durch eine Rauchwolke und vorbei an einem Bein mit einem gestreiften Turnschuh, dann an zwei Männern in Uniform, die im Gras saßen und sie mit offenen Mündern anstarrten. Der Geruch verbrannter Milch wurde schwächer, jetzt roch es nach Feuer und heißem Metall. Sie stolperte, fing sich wieder, und als plötzlich Holzapfel vor ihr auftauchte, fiel ihr ein, wo sie war, wer sie war.
Jan ging im Kreis. Mitten auf der Straße ging er im Kreis, das Schweißgerät hatte er geschultert, und den Schweißbrenner hielt er wie einen Degen vor der Brust. Als sie ihm näher kam, sah sie, dass Tränen aus seinen Augen liefen. Seine Lippen schimmerten bläulich, sein Kinn war rot von Blut.
– Gib den Schlüssel, stammelte er und legte seine Hand auf Myrbäcks Schulter. Gib ihn mir. Ich fahre.
Während Myrbäck nach dem Autoschlüssel fummelte, gleichzeitig Anstalten machte, sie auf die Rückbank des Volvo zu schieben, machte sie sich steif und rief:
– Nein, so läuft das nicht! Das haben wir anders geplant. Ich habe meinen eigenen Fluchtwagen. Ich den einen und du den anderen.
– Wir haben keinen Plan mehr, an den wir uns halten müssen, sagte Myrbäck. Er hatte ein blaues Auge, das sah sie erst jetzt.
– Wo hast du dein blaues Auge her?
Seine Antwort ging im Geheule einer Polizeisirene unter. Es kam von nicht allzu weit her, und sofort malte sie sich aus, wie die ersten Polizisten sich in Kampfmontur vom Brückengeländer zu ihnen abseilen würden. Ihr fiel auf, dass Holzapfel wieder und wieder versuchte, den Motor zu starten.
– Spring an, du Scheißkarre!, schrie er.
Er versuchte es erneut. Und wieder. Der Startmotor surrte hilflos.
– Mach schon, rief Myrbäck.
Holzapfel rieb sich die Augen.
– Was ist das?, fragte er. Er starrte auf eine Anzeige, die hinter dem Lenkrad in blassem Giftgrün aufblinkte.
– Alcoguard, las Holzapfel von dem kleinen Display ab. Fünf Sekunden Blasen.
– Ja, der Alcoguard, schrie Myrbäck. Gibt’s gegen Aufpreis.
– Blasen?, fragte Holzapfel. Fünf Sekunden lang blasen? Er sah sie beide ungläubig an. Dann brüllte er:
– Was soll ich blasen?
– Los jetzt, schrie Myrbäck gegen Jans Gegröle an. Er rüttelte in Kniehöhe an der Mittelkonsole, zog aus einer Luke, was aussah wie ein altmodisches Mobiltelefon, klappte ein Mundstück heraus und presste es Jan an die blutleeren Lippen.
– Jetzt pusten!
Holzapfel pustete.
Das Messergebnis erschien im Display, in roten Buchstaben: Start blockiert.
– Notstart, schrie Myrbäck. Er zappelte wie ein Verrückter auf dem Beifahrersitz, warf sich auf Holzapfels Schoß und fummelte mit beiden Händen unterhalb des Lenkrads herum. Dann drückte er mit dem Daumen die Warnblinktaste. Nach ein paar Sekunden sprang der Motor an.
– Hast du getrunken? Sassie stierte ihn an.
Jan nickte.
– Aber nur ein bisschen. Zum Tee.
Während sie empört den Kopf schüttelte, was sie der aufwogenden Schmerzen wegen sofort bereute, erblickte sie am Ende eines Ackers drei Gestalten. Sie bewegten sich in ihre Richtung. Polizisten. Sie kamen in Sprüngen näher, kein Zweifel.
– Guckt mal, sagte sie.
– Weg vom Steuer, rief Myrbäck. Er stieg aus dem Wagen, umkurvte die Motorhaube und tauschte den Platz mit Jan.
– Wo kommen die denn her?, fragte er.
– Ist doch klar. Sie sind am Bus vorbei. Und die letzte Strecke machen sie jetzt zu Fuß.
– Wie lange brauchen die?
– Zwei Minuten? Drei Minuten? Je nachdem.
– Je nach was?
– Je nach Kondition. Vielleicht sind sie ja irre schnell.
– Wir haben’s echt eilig, schaltete sich Holzapfel ein. Seht euch mal um.
Viel zu schnell drehte sie ihren schmerzenden Kopf.
Sie erkannte den Mann, der sich da aus einer Rauchwolke herausschälte, an seinem Hinken. Juhani sah in ihre Richtung und legte das Gewehr an. Hinter ihm trat eine andere Figur aus dem Qualm heraus. Gösta Göransson. Auch er trug seine Waffe.
Sie hörte das Donnern des Schusses, als Myrbäck das Steuer einschlug. Der zweite Schuss krachte, als er anfuhr, der dritte erst war ein Treffer, ein Prasseln im Blech des Kofferraums. Einen vierten Schuss gaben Juhani und Göransson nicht ab, denn auch sie mussten bemerkt haben, wer da im Anmarsch über das Feld
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