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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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und Lilja. Jetzt ist der Abend völlig still, und das Sausen über den Bäumen verstummt, nur im Eis seufzt es, und die Möwen schreien, weil wir sie aufstören.
    Im Sommer ist es hier schön, dachte sie. Im Winter bekommt man es mit der Angst zu tun. Nicht weit von hier lag das Floß, das sie im Sommer gebaut hatten. Wochenlang hatten sie nach Styropor gesucht, nach Plastikkanistern, sogar leere Einmachgläser hatten sie mit Schnur und Draht und Binsen unter ihre Bretterwand gebunden, und Ove hatte ein Paddel geschnitzt. Kaum lag das Floß im Wasser, sprudelte es zwischen den Planken hervor. Alle Mann an Bord!, schrie Ove, sprang auf das Floß, aber da sank es längst mit trägen Schwingungen auf den sandigen Boden. Federica schrie vor Wut. Ove stand im Wasser, ein paar Styroporkügelchen schwappten auf und umschwammen seine Oberschenkel. Die Haut an seinem Kinn zitterte, so enttäuscht war er. Später an dem Tag hatte er sie auf den Mund geküsst, zweimal. Sofort war seine Laune besser geworden.
    Um das Floß hatten sie sich nicht mehr gekümmert, es war wohl über den Herbst zwischen das Schilf getrieben. Irgendwo hier lag es auf Grund, bewohnt von Fischen und glibberigem Froschlaich.
    Er. Er zog seine Bahnen über das Eis, so schnell, dass sie nicht mehr mitkam. Das Kratzen seiner Kufen wurde lauter und lauter. Sie rutschte und fiel auf ihr Knie. Sie stand auf, versuchte nachzukommen. Wieder verloren ihre Füße den Halt, wieder stürzte sie. Sie spürte warme Tränen auf ihrer Wange. Mein Knie blutet, rief sie. Er kann nicht hören, sagte sie sich, er mit seiner dummen Ohrenmütze. Er flog davon, den wirbelnden Schlitten in seinem Schlepptau, und Lilja jagte im Galopp hinterher, so sah es aus: Sie versucht, einen Präriehengst zu bändigen.
    Sie schluckte und blinzelte ihre Tränen weg. Am Himmel blinkten die Lichter einiger Sterne.
    Ein Knall am Ufer ließ sie auffahren. Dann noch einer, laut wie ein Gewehrschuss. Ein Wogen und Rollen zog durch das Eis, sie konnte es in ihren Beinen spüren. Am liebsten hätte sie sich flach hingelegt, aber sie musste hinterher.
    Auf einmal kam er von hinten herangerauscht. Im Vorbeifahren sah er auf sie herab. Er lächelte und zeigte seine Zähne, dann war er wieder außer Sicht. Los jetzt, hörte sie ihn noch. Los jetzt. Der Schlitten sauste hinter ihm her. Er war leer.
    Lilja!, schrie sie. Lilja.
    Sie lief in Richtung des Ufers, von dort war er ja gekommen. Sie rief, blieb stehen und lauschte auf Antwort. Sie lief weiter und rief. Ein Peitschenschlag surrte aus dem Eis, nicht weit von ihr. Sie lief und lief, egal wohin, und endlich lag dort Lilja. Bäuchlings, die Arme und Beine von sich gestreckt wie eine platt getretene Spitzmaus.
    Sie zog ihre Schwester hoch und pustete ihr Schneeflocken von den Augenbrauen.
    Bleib genau hier, sagte sie. Rühr dich nicht vom Fleck. Sie klopfte den Schnee von ihrer Mütze. Damit du mir nicht verloren gehst.
    Lilja weinte. Es war ein dünnes, kraftloses Geräusch, wie am Ende eines traurigen Liedes. Der Mund stand ihr offen.
    Sie ließ ihre Schwester stehen und ging langsam auf die Mitte des Sees zu.
    Von weitem sah es aus, als rollte ein Lederball auf dem Eis herum, es war aber sein wackelnder Kopf. Der Rest von ihm war eingebrochen. Er warf seine Arme auf das Eis, aber Halt fanden sie nicht. Holt mich raus!, schrie er.
    Sie ging in die Knie. Vor ihr sickerte Wasser aus feinen Rissen empor und sammelte sich zu Pfützen. Sie sah ihm dabei zu, wie er versuchte, seine Arme lang zu machen, immer länger, um nach dem Schlitten zu greifen. Es ist doch sinnlos, dass er dabei unter Wasser strampelt, dachte sie, jedes Kind weiß es. Immer wieder griff er in die Luft, immer wieder fiel er zurück. Aus seinem Mund drosch weißer Dampf wie bei einem Rennpferd.
    Sie sank auf den Bauch und schloss die Augen.
    Einen Stock, hörte sie ihn schreien. Hol einen Stock! Ein Seil! Hol mich raus. Noch nie hatte sie jemanden so laut schreien gehört. Man muss ihn doch bis zum Loppen hören, dachte sie. Aber alle stecken in ihren Häusern heute Abend.
    Stück für Stück kroch sie dem brüllenden Kopf mit der Mütze entgegen. Im ganzen Körper spürte sie das Schwanken des Eises. Je näher sie ihm kam, desto breiter wurden die Risse. Kaltes Wasser drang durch den Stoff ihrer Jacke bis an ihre Brust. Wie eine Robbe schob sie sich voran, bis ihre Fingerspitzen die Kufen des Schlittens erreichten. Mit aller Kraft stieß sie ihn fort. Er flitzte davon.
    Sie rollte

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