Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
Vom Netzwerk:
waren feine Gesichtszüge in dem runden Gesicht zu erkennen. Sie hatte einen drahtigen Körper und schlanke Finger, die schmutzig waren, und schönes volles Haar, das an der Seite blutverschmiert war. An welchen Teilen fand Jan Gefallen?, fragte sie sich. Oder war er in die ganze Jana verliebt?
    – Wie hoch ist es hier?, fragte Myrbäck. Er hatte sich vor ihr aufgestellt. Seine Füße waren von Kratzern überzogen, die Sohlen an mehreren Stellen aufgerissen.
    – Acht Meter, sagte sie. Kommt mir vor wie im Schwimmbad. Auf dem Zehner.
    Er wandte sich ab. Systematisch schritt er das Dach ab, ohne dem Rand zu nah zu kommen. Wieder fiel ihr das leichte Schlingern seines Beines auf, von dem er einmal erzählt hatte. Das Unglück fährt ihm in sein Becken.
    – Nichts, sagte er, als er zurückkehrte. Kein Einstieg, keine Luke. Wir können die Teerpappe abziehen, aber die Dachbalken darunter sind massiv. Dies ist alles, was ich gefunden habe.
    In seiner Hand hielt er, was aussah wie das Endstück eines Lüftungsrohrs. Es war aus dünnem Blech. Er warf es weit über die Kante des Daches. Es segelte durch die Luft, bis es mit einem kaum hörbaren Scheppern in der Krone einer Pappel hängen blieb.
    – Also. Wie kommen wir hier weg? Er legte seine Arme um sie.
    Gar nicht, dachte sie und blieb stumm. Sie alle wussten, dass ihr Weg auf die Erde zurück nur über die Steigeleiter führen würde. Direkt in die Arme ihrer Jäger.
    – Wir können uns doch nicht freiwillig ergeben. Er sah sie verzweifelt an.
    Sie drehte sich in seinen Armen und vergrub ihren Kopf in seiner Halsbeuge. Seine Haut roch warm und süß.
    – Wir werden nicht heil davonkommen, sagte sie.
    Ein Schuss krachte.
    Sie warfen sich an den Rand des Dachs und sahen hinab. Es hatte sich wenig getan. Holzapfel und der tote Jukki lagen im Gras wie von Wetter und Wind niedergestreckte Vogelscheuchen. Der Blonde richtete seine Pistole in ihre Richtung. Sofort zuckten sie zurück.
    – Sie wollen euch Angst machen, sagte die Frau. Sie war erwacht und hatte rote Flecken im Gesicht.
    – Wer sind die beiden? Brüder?
    – Nein. Dicke Freunde.
    – Sind sie stumm? Taub? Beides?
    – Das frage ich mich oft. Aber nein. Irgendetwas stimmt mit ihnen nicht.
    – Dass sie nicht dicht im Oberstübchen sind, dachte ich mir schon, meinte Sassie. Dafür hast du es verdächtig lang mit ihnen ausgehalten.
    – Was hast du mit dem Tod von Zbigniew zu tun?, fragte Myrbäck.
    – Die beiden waren’s. Sie wussten schon früh von meinen und Jans Plänen. Ich glaube, Jan hat sich ungeschickt angestellt. Sie ließen uns einfach machen. Wir sollten die Kiste aus dem Wagen holen, dann erst wollten sie selber zuschlagen. Du bist ihnen dazwischengekommen. Aber hat Jan dir das nicht alles längst erklärt? Sie sah Myrbäck schief an.
    – Er hat immer nur Geschichten erzählt.
    – Mit dir hat niemand gerechnet an jenem Abend im Kino, wir wussten nicht mal von deiner Existenz. Als der Wagen plötzlich verschwunden war, drehten die beiden dort unten durch. Ihr erstes Opfer war Zbigniew. Mit einem Reflexhammer haben sie ihn bearbeitet. Mit Nägeln.
    Myrbäck wurde blass und grünstichig wie ein Eierkarton.
    – Woher weißt du das?
    – Sie haben es mir erzählt. Sie waren nicht stolz darauf, aber mit einem Ziel vor Augen werden sie unnachgiebig.
    – Waren sie es, die den Finger Stanczaks in Holzapfels Küche ablegten?
    – Das ist so ihr Humor.
    – Und Raschke? Dirk Raschke. Hat Jan von ihm erzählt?
    – Kenne ich nicht. Nie gehört, den Namen.
    – Und warum die Eile auf einmal? Wochenlang habt ihr uns in Ruhe gelassen. Und jetzt könnt ihr es nicht erwarten, diese verdammte Kiste wiederzubekommen.
    – Wir haben einen Käufer.
    Myrbäck stand auf. Sein Gesicht sah auf einmal wach aus.
    – Wer?, fragte er.
    – Ein Unterhändler. Sagt er. Er arbeitet für die koreanische Autoindustrie. Sagt er. Ich glaube ihm kein Wort, aber Geld scheint er zu haben. Er hat uns angezahlt. Vor zwei Tagen in Stockholm. Doch das hilft uns hier auch nicht weiter.
    Das Sprechen schien der Frau wieder Mühe zu machen. Sie ließ den Kopf sinken und sackte auf die Seite zurück.
    Sassie spürte schwache, fast behagliche Schmerzen in den Muskeln der Beine und Arme, als sie sich abseits von den anderen auf das Dach legte.
    Die Sonne hatte ihren Zenit erreicht, und die Teerpappe, auf der sie lag, stank nach Kreosot.
    Sie lag auf dem Rücken, und mit jeder Minute, die verging, spürte sie ihren Körper weniger. Sie

Weitere Kostenlose Bücher