Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
sie ja auch nicht«, sagte Erica.
»Nein. In dieser Hinsicht hat der Plan ausgezeichnet funktioniert. Abgesehen davon, dass Sebastian den Schlüssel an sich genommen hat. Offenbar hat er ihn ihnen seitdem wie ein Damoklesschwert über den Kopf gehalten.«
»Aber warum hat die Polizei im Haus keine Hinweise gefunden?«
»Die Jungs haben den Boden im Esszimmer gründlich geschrubbt und wahrscheinlich alle Blutspuren entfernt, die mit bloßem Auge sichtbar waren. Vergiss nicht, dass es 1974 war und die technische Untersuchung von Provinzpolizisten vorgenommen wurde. Mit der Tatortgruppe aus CSI hatten die nicht die geringste Ähnlichkeit. Außerdem hatten die Jungs sich umgezogen und waren mit dem Fischerboot hinausgefahren, nachdem sie anonym die Polizei benachrichtigt hatten.«
»Und wo ist Inez abgeblieben?«
»Sie hat sich versteckt. Auch das war laut Leon Aarons Idee. Sie brachen in irgendein Sommerhaus auf einer Nachbarinsel ein, wo sie blieb, bis sich alles so weit beruhigt hatte, dass sie und Leon das Land verlassen konnten.«
»Während die Polizei nach der Familie suchte, befand Inez sich die ganze Zeit in der Nähe?«, fragte Erica ungläubig.
»Ja. Im Sommer wurde wegen des Einbruchs bestimmt Anzeige erstattet, aber niemand erkannte den Zusammenhang.«
Sie nickte befriedigt. Endlich passten die Puzzleteile zusammen. Nach all den Stunden, in denen sie sich den Kopf über die verschwundene Familie Elvander zerbrochen hatte, konnte sie sich nun das meiste erklären.
»Ich frage mich, wie es Inez und Ebba jetzt geht.« Sie nahm Patrik die Schüssel aus der Hand, um sein Eis aufzuessen, bevor es schmolz. »Ich wollte sie nicht stören, aber ich schätze, sie ist zu ihren Eltern nach Göteborg gefahren.«
»Du weißt es also noch nicht?« Zum ersten Mal, seit sie über den Fall sprachen, strahlte er übers ganze Gesicht.
»Nein, was denn?« Erica sah ihn neugierig an.
»Sie ist für ein paar Tage zu Gösta ins Gästezimmer gezogen, um zur Ruhe zu kommen. Inez wollte sie heute Abend zum Abendessen besuchen, hat er gesagt. Ich nehme an, sie wollen versuchen, sich auszusprechen.«
»Das klingt gut. Es wird ihr helfen. Was mit Mårten passiert ist, muss ein Schock für sie sein. Allein der Gedanke, mit jemandem zusammengelebt zu haben, den man liebt und dem man vertraut, und dann stellt sich raus, wozu er fähig ist.« Sie schüttelte den Kopf. »Gösta wird froh sein, sie bei sich zu haben. Hätte er doch …«
»Ich weiß. Und Gösta ist der Gedanke bestimmt schon öfter gekommen, als wir uns vorstellen können. Aber Ebba hatte es trotzdem gut, und in gewisser Weise ist das wohl das Wichtigste für ihn.« Abrupt wechselte er das Thema, als täte ihm der Gedanke daran, was Gösta entgangen war, zu weh. »Wie geht es Anna?«
Erica runzelte bekümmert die Stirn.
»Ich habe noch nichts von ihr gehört. Dan ist ja sofort nach Hause gefahren, nachdem er meine SMS bekommen hat, und ich weiß, dass sie ihm alles erzählen wollte.«
»Alles?«
Sie nickte.
»Wie Dan wohl reagieren wird?«
»Ich weiß nicht.« Erica aß noch ein paar Löffel Eis und rührte in dem Rest, bis er flüssig war. Das machte sie seit ihrer Kindheit so. Anna hatte die gleiche Angewohnheit. »Ich hoffe, sie kriegen das wieder hin.«
»Hm«, sagte Patrik skeptisch, und nun wechselte sie das Thema.
Sie wollte es weder sich selbst noch Patrik eingestehen, dass sie in den vergangenen Tagen an fast nichts anderes gedacht hatte, weil sie sich solche Sorgen um Anna machte. Trotzdem hatte sie sich gezwungen, sie nicht anzurufen. Sie und Dan brauchten Zeit und Ruhe, um überhaupt eine Chance zu haben, wieder miteinander ins Reine zu kommen. Irgendwann würde sie sich schon melden.
»Hat das Ganze keine juristischen Folgen für Leon und die anderen?«
»Nein, das Verbrechen ist verjährt. Nur Mårten hätte man als Einzigen zur Rechenschaft ziehen können. Und was mit Percy passiert, werden wir sehen.«
»Ich hoffe, es belastet Martin nicht zu sehr, dass er Mårten erschossen hat. Das kann er jetzt überhaupt nicht gebrauchen«, sagte Erica. »Außerdem ist es meine Schuld, weil ich ihn mit hineingezogen habe.«
»So darfst du nicht denken. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut, und er will anscheinend so bald wie möglich zurückkommen. Da Pias Behandlung dauern wird und sowohl ihre als auch seine Eltern mithelfen, hat er mit ihr besprochen, dass er zumindest halbtags arbeitet.«
»Hört sich vernünftig an«, sagte Erica, aber
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