Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
und wandte sich an Patrik. »Um Ihnen das Ganze etwas zu verdeutlichen: Wir wohnten gar nicht mit der Familie zusammen. Wir gingen dort zur Schule, aber zwischen uns und der Familie Elvander verlief eine scharfe Grenze. Zum Beispiel waren wir nicht zu diesem Osteressen eingeladen. Rune war sehr darauf bedacht, Distanz zu uns zu halten, und führte die Schule wie eine Kaserne. Aus diesem Grund liebten ihn unsere Eltern genauso heiß und innig, wie wir ihn hassten.«
»Hielten die Schüler zusammen, oder gab es Konflikte zwischen ihnen?«
»Streit gab es natürlich hin und wieder, alles andere wäre ja auch verwunderlich bei einer Schule, die nur von Teenagern männlichen Geschlechts besucht wird. Schlimme Auseinandersetzungen hat es allerdings nie gegeben.«
»Wie war das bei den Lehrern? Was hielten die vom Schulleiter?«
»Diese Weicheier hatten solche Angst vor ihm, dass sie sich wahrscheinlich überhaupt keine eigene Meinung erlaubt haben. Jedenfalls haben wir nichts davon mitbekommen.«
»Runes Kinder waren damals ungefähr im selben Alter wie Sie. Waren Sie mit ihnen befreundet?«
John schüttelte den Kopf. »Das hätte Rune niemals geduldet. Mit seinem ältesten Sohn hatten wir aber recht viel zu tun. Er war eine Art Assistent in der Schule. Ein richtiges Arschloch.«
»Es klingt, als hätten Sie sich über einige Familienmitglieder eine ausgeprägte Meinung gebildet.«
»Genau wie alle anderen Jungs im Internat habe ich diese Leute gehasst, aber nicht so sehr, dass ich sie umgebracht hätte, falls Sie das meinen. In dem Alter ist es doch normal, Autoritäten zu misstrauen.«
»Und die anderen Kinder?«
»Die blieben meistens unter sich. Etwas anderes hätten sie sich wahrscheinlich nicht getraut. Bei Inez war es genauso. Sie war allein für das Putzen, Waschen und Kochen zuständig. Runes Tochter Annelie hat manchmal mitgeholfen. Wie gesagt, wir durften nichts mit ihnen zu tun haben, und vielleicht hatte das auch einen Grund. Viele Jungen waren richtige Flegel, die waren von klein auf privilegiert und verwöhnt. Deshalb kamen sie ins Internat, nehme ich an. Die Eltern begriffen im letzten Augenblick, dass sie faule und unnütze Individuen großgezogen hatten, und wollten das Übel beheben, indem sie ihre Kinder zu Rune schickten.«
»Ihre Eltern nagten doch sicher auch nicht am Hungertuch?«
»Sie hatten Geld.« John betonte das Wort »hatten«. Dann kniff er die Lippen zusammen, um zu signalisieren, dass er nicht näher auf das Thema eingehen wollte. Patrik ließ die Sache auf sich beruhen, nahm sich aber vor, sich später mit Johns familiärem Hintergrund zu beschäftigen.
»Wie geht es ihr?«, fragte John plötzlich.
Patrik brauchte einige Sekunden, um zu verstehen, wen er meinte. »Ebba? Es scheint ihr ganz gut zu gehen. Wie gesagt, sie will das Haus auf Vordermann bringen.«
Wieder sah John hinüber nach Valö, und Patrik wünschte, er hätte Gedanken lesen können. Was mochte John durch den Kopf gehen?
»Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben.« Patrik stand auf. Im Moment würden sie hier nicht weiterkommen, aber das Gespräch hatte ihn noch neugieriger auf das Internatsleben gemacht.
»Ich schließe mich dem Dank an. Uns ist klar, dass Sie sehr beschäftigt sind«, sagte Mellberg. »Übrigens soll ich Sie von meiner Lebensgefährtin grüßen. Sie stammt aus Chile und ist in den siebziger Jahren eingewandert.«
Patrik zog Mellberg am Ärmel mit sich fort. Mit steifem Lächeln machte John die Pforte hinter ihnen zu.
Gösta wollte die Dienststelle unbemerkt betreten, aber es gelang ihm nicht.
»Hast du verschlafen? Das ist doch sonst nicht deine Art«, sagte Annika.
»Der Wecker hat nicht geklingelt.« Er wich ihrem Blick aus. Annika hatte das Talent, einen sofort zu durchschauen, und er log sie nur ungern an. »Wo sind denn die anderen?«
Aus dem Flur war kein Laut zu hören, Annika schien allein zu sein. Nur Ernst kam angetapst, als er Göstas Stimme hörte.
»Patrik und Mellberg statten John Holm einen Besuch ab, aber Ernst und ich halten hier die Stellung. Nicht wahr, alter Knabe?« Sie kraulte den großen Hund hinter den Ohren. »Patrik hat nach dir gefragt. Die Geschichte mit dem Wecker übst du also besser noch mal.«
Sie hob den Blick und musterte ihn von Kopf bis Fuß.
»Jetzt erzähl schon, was du angestellt hast. Vielleicht kann ich dir helfen, damit du nicht erwischt wirst.«
»Es ist zum Verrücktwerden«, sagte Gösta, wusste aber genau, dass er verloren
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