Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
bleibe.«
Erica legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm.
»Dir fällt sicher eine gute Entschuldigung ein. Sag einfach, du hättest verschlafen oder so. Er schöpft keinen Verdacht, das verspreche ich dir.«
»Du hast leicht reden.« Gösta zog sich die Schuhe an.
»Vergiss unsere Abmachung nicht. Ich brauche die Adressen aller Beteiligten. Danach versuchst du herauszufinden, was mit der persönlichen Habe von Familie Elvander passiert ist.«
Erica nahm Gösta spontan in den Arm. Er erwiderte die Umarmung unbeholfen.
»Wenn du mich wieder loslässt, fange ich gleich damit an.«
»Du bist ein Schatz.« Erica zwinkerte ihm zu.
»Ach was, jetzt kümmere dich lieber um deine Kinder. Ich melde mich, sobald ich mehr weiß.«
Erica machte die Tür hinter ihm zu und tat genau das, was er gesagt hatte. Sie setzte sich aufs Sofa und ließ alle drei auf ihrem Schoß um den besten Platz ringen, während sie unkonzentriert Pippis Abenteuer verfolgte.
In der Dienststelle herrschte Stille. Mellberg hatte ausnahmsweise sein Zimmer verlassen und saß in der Küche. Ernst, der seinem Herrchen nie von der Seite wich, lag unter dem Tisch und wartete darauf, dass es früher oder später Kaffee und Kuchen geben würde.
»Was für ein Idiot!«, zischte Mellberg und tippte auf die Zeitung. Der Bohusläningen hatte das Interview mit John Holm ganz groß aufgemacht.
»Ich verstehe nicht, wie die Leute solche Typen in den Reichstag wählen können. Das ist wahrscheinlich der Nachteil der Demokratie.« Patrik setzte sich Mellberg gegenüber. »Außerdem müssen wir mit ihm reden. Er war offenbar einer der Jungs, die an jenem Ostersonnabend auf Valö waren.«
»Da sollten wir uns aber beeilen. Da steht, dass er nur noch diese Woche hier ist und dann zurück nach Stockholm fährt.«
»Das habe ich auch gesehen. Ich wollte Gösta mitnehmen und gleich am Vormittag mit ihm reden.« Er warf einen Blick in den Flur. »Wo steckt er bloß. Annika? Hast du was von Gösta gehört?«
»Keinen Mucks. Vielleicht hat er ja verschlafen«, rief Annika vom Empfang.
»Dann begleite ich dich eben.« Mellberg faltete die Zeitung zusammen.
»Nicht nötig, ich warte auf Gösta. Er muss jeden Augenblick hier sein. Du hast bestimmt Wichtigeres zu tun.« Patrik geriet in Panik. Wenn man Mellberg zu einer Vernehmung mitnahm, konnte das nur in eine Katastrophe münden.
»Dummes Zeug! Du kannst doch von meiner Unterstützung nur profitieren, wenn du mit diesem Idioten sprichst.« Er stand auf und sah Patrik fest entschlossen an. »Wann fahren wir?«
Mellberg schnippte einige Male mit den Fingern, während Patrik fieberhaft nach einem Argument suchte, das den Chef von seinem Vorhaben abbringen würde.
»Vielleicht sollten wir vorher anrufen und einen Termin ausmachen?«
Mellberg schnaubte. »Solche Kerle muss man … wie heißt das noch mal …«, er schnippte mit den Fingern, »en garde zu fassen kriegen.«
»Off-guard«, sagte Patrik, »du meinst off-guard, aber sag doch einfach unvorbereitet.«
Einige Minuten später saßen sie im Auto und fuhren in Richtung Fjällbacka. Mellberg pfiff zufrieden vor sich hin. Zuerst hatte er sich unbedingt selbst ans Steuer setzen wollen, aber das ging Patrik zu weit.
»Das Denken dieser Leute ist beschränkt. Sie sind innerlich ganz klein und haben keinen Respekt vor anderen Kulturen oder der Verschiedenartigkeit ihrer Mitmenschen.« Mellberg nickte bestätigend zu seinem eigenem Statement.
Patrik juckte es unheimlich, ihn daran zu erinnern, wie beschränkt Mellbergs Sicht früher gewesen war. Einige der Bemerkungen, die er damals freimütig von sich gegeben hatte, hätten sicher den Beifall von Schwedens Freunden geerntet. Zu Mellbergs Verteidigung musste allerdings gesagt werden, dass er seine Vorurteile in dem Moment abgelegt hatte, als er sich in Rita verliebte.
»Dieses Bootshaus muss es doch sein.« Patrik fuhr auf den kleinen Schotterparkplatz vor einem der roten Häuschen an der Hamngata. Sie hatten sich darauf geeinigt, es auf gut Glück dort und nicht bei Johns Haus in Mörhult zu versuchen.
»Sieht jedenfalls so aus, als säße jemand auf dem Steg.« Mellberg reckte den Hals.
Als sie auf die Pforte zugingen, knirschte der Schotter unter ihren Füßen. Patrik überlegte kurz, ob er anklopfen sollte, aber da es ihm albern vorkam, machte er die Tür einfach auf.
Er erkannte John Holm sofort. Dem Fotografen war es gelungen, nicht nur sein fast schon klischeehaft typisch schwedisches Aussehen
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