Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
einzufangen, sondern seinem breiten Lächeln auch etwas Bedrohliches zu verleihen. Auch jetzt grinste Holm übers ganze Gesicht, aber seine blauen Augen sahen sie bohrend an, als er auf sie zukam.
»Guten Tag, wir kommen von der Polizei Tanum.« Patrik stellte sich und Mellberg vor.
»Aha.« Der Blick wurde wachsamer. »Ist etwas passiert?«
»Das kommt darauf an, wie man es sieht. Eigentlich geht es um einen Vorfall, der schon sehr lang zurückliegt, aber leider wieder aktuell geworden ist.«
»Valö«, sagte John. Nun ließ sich sein Gesichtsausdruck nicht mehr deuten.
»Ganz richtig«, erwiderte Mellberg in aggressivem Ton. »Es geht um Valö.«
Patrik atmete ein paar Male tief ein und aus, um sich wieder zu beruhigen.
»Können wir uns setzen?«, fragte er. John nickte.
»Klar, nehmen Sie Platz. Die Sonne ist hier recht intensiv. Ich habe das gern, aber falls es Ihnen zu heiß wird, kann ich gern einen Sonnenschirm aufspannen.«
»Vielen Dank, das ist schon in Ordnung.« Patrik winkte ab. Er wollte die Sache so schnell wie möglich erledigen, bevor Mellberg noch mehr Unsinn verzapfte.
»Wie ich sehe, lesen Sie gerade den Bohusläningen .« Mellberg deutete auf die Zeitung, die aufgeschlagen auf dem Tisch lag.
John zuckte mit den Schultern. »Schlechter Journalismus ist doch immer ein Trauerspiel. Ich werde falsch zitiert und falsch verstanden. Außerdem strotzt der Text vor Unterstellungen.«
Mellberg zupfte an seinem Hemdkragen. Sein Gesicht war schon ganz rot. »Ich finde, der Artikel ist gut geschrieben.«
»Die Zeitung ist ganz offensichtlich parteiisch, aber mit solchen Angriffen muss man umgehen können, wenn man in der Öffentlichkeit steht.«
»Es werden lediglich Ihre eigenen Aussagen hinterfragt. Zum Beispiel diesen Unfug, dass Einwanderer selbst dann des Landes verwiesen werden sollen, wenn sie eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen. Wie stellen Sie sich das vor? Soll jemand, der seit vielen Jahren in Schweden lebt und hier Fuß gefasst hat, nur wegen eines Fahrraddiebstahls in seine Heimat zurückgeschickt werden?« Mellberg war laut und seine Aussprache noch feuchter geworden.
Patrik saß da wie gelähmt. Er hatte das Gefühl, Zeuge eines unmittelbar bevorstehenden Autounfalls zu werden. Auch wenn er Mellberg in allen Punkten recht gab, war dies nicht der richtige Moment für eine politische Diskussion.
John sah Mellberg ungerührt an. »In dieser Frage ist unser Standpunkt von unseren Gegnern bewusst falsch interpretiert worden. Ich könnte es Ihnen genauer erklären, aber ich nehme nicht an, dass Sie deswegen gekommen sind.«
»Wie gesagt, wir sind hier, um mit Ihnen über das zu sprechen, was sich 1974 auf Valö ereignet hat. Nicht wahr, Bertil?«, fügte Patrik schnell hinzu. Er fixierte Mellberg, bis dieser nach einigen Sekunden widerwillig nickte.
»Es gibt das Gerücht, dort draußen sei etwas passiert«, sagte John. »Haben Sie die Familie gefunden?«
»Nicht direkt«, antwortete Patrik ausweichend, »aber jemand hat versucht, das Haus in Brand zu setzen. Wäre es ihm gelungen, die Tochter und ihr Mann hätten wahrscheinlich nicht überlebt.«
John richtete sich etwas auf.
»Die Tochter?«
»Ebba Elvander«, sagte Patrik. »Mittlerweile heißt sie Ebba Stark. Sie und ihr Mann haben das Haus übernommen und renovieren es momentan.«
»Das ist bestimmt nötig. Nach allem, was ich gehört habe, muss es ziemlich heruntergekommen sein.« Johns Blick suchte die glitzernde Wasseroberfläche nach der Insel Valö ab, die sich genau gegenüber von ihnen befand.
»Sie waren schon lang nicht mehr dort?«
»Nicht, seitdem das Internat geschlossen wurde.«
»Warum nicht?«
John breitete die Arme aus. »Wahrscheinlich gab es einfach keinen Anlass.«
»Was könnte der Familie Ihrer Ansicht nach passiert sein?«
»Da müsste ich genauso raten wie alle anderen, ich habe wirklich keine Ahnung.«
»Ein wenig mehr Einblick als die meisten Leute hatten Sie wohl schon«, wandte Patrik ein. »Sie lebten schließlich mit der Familie zusammen und waren vor Ort, als sie verschwand.«
»Das stimmt nicht ganz, ich war mit ein paar Mitschülern zum Fischen rausgefahren. Wir waren schockiert, als wir bei unserer Rückkehr zwei Polizisten trafen. Leon wurde sogar richtig wütend. Er dachte, fremde Männer wollten Ebba entführen.«
»Sie haben also keine Theorie? Sie müssen doch im Laufe der Jahre über den Vorfall nachgedacht haben.« Mellberg klang skeptisch.
John beachtete ihn gar nicht
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