Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
würden sich ihr anvertrauen wie einer guten Freundin. Sie würden wollen, dass sie und Patrik sie auf allen Urlaubsreisen begleiteten, sie passte auf die Kinder auf, und falls die jungen Frauen beruflich sehr eingespannt waren, half sie beim Putzen und Kochen. Wahrscheinlich hätte sie dann einen eigenen Schlüssel zu ihrer Wohnung … Erica hielt inne. Vielleicht war es ja doch nicht so einfach, die perfekte Schwiegermutter zu sein.
Im Schlafzimmer schlüpfte sie in eine Jeansshorts und zog ihr weißes Lieblingsshirt an. Sie bildete sich ein, darin schlanker auszusehen. Ihr Gewicht war zwar im Lauf der Jahre nicht konstant gewesen, aber sie hatte immer in Größe 38 gepasst. Seit Majas Geburt musste sie Größe 42 kaufen. Wie hatte es dazu kommen können? Patrik war auch nicht besser. Zu behaupten, er wäre durchtrainiert gewesen, als sie ihn kennenlernte, wäre eine schamlose Übertreibung, aber sein Bauch war damals flach. Nun wölbte er sich kräftig vor, und sie musste leider gestehen, dass es in ihren Augen nichts Unattraktiveres als Altmännerbäuche gab. Unwillkürlich fragte sie sich, ob er über sie genauso dachte. Sie sah auch nicht mehr aus wie früher.
Als sie einen letzten Blick in den Ganzkörperspiegel warf, zuckte sie plötzlich zusammen und drehte sich erschrocken um. Irgendetwas im Raum war anders. Sie sah sich um und versuchte, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie sie das Schlafzimmer heute Morgen verlassen hatte. Obwohl sie sich nicht mehr ganz genau erinnerte, hätte sie schwören können, dass sich etwas verändert hatte. War Kristina hier oben gewesen? Nein, denn dann hätte sie mit Sicherheit aufgeräumt, und das war ganz offensichtlich nicht passiert. Federbetten und Kissen ein einziges Durcheinander, und die Tagesdecke lag wie immer zusammengeknüllt am Fußende. Erica sah sich noch einmal nachdenklich um, doch dann zuckte sie mit den Schultern. Sie hatte es sich bestimmt nur eingebildet.
Im Arbeitszimmer schaltete sie den Computer ein und wartete, bis das Kästchen für das Kennwort erschien. Verwundert starrte sie auf den Bildschirm. Jemand hatte versucht, sich einzuloggen. Nach drei missglückten Versuchen stellte ihr der PC die Sicherheitsfrage: »Wie hieß Ihr erstes Haustier?«
Mit wachsendem Unbehagen sah sie sich im Arbeitszimmer um. Ja, hier war ganz sicher jemand gewesen. Es sah vielleicht nicht so aus, als herrschte eine besondere Ordnung in dem Chaos, aber sie wusste genau, wo sie alles hingelegt hatte und stellte nun fest, dass jemand in ihren Sachen gewühlt hatte. Warum? Hatten diese Leute irgendetwas gesucht, und wenn ja, was? Sie bemühte sich eine ganze Weile, herauszufinden, ob etwas fehlte, aber es schien alles noch da zu sein.
»Erica?«
Aus dem Erdgeschoss rief Kristina. Ohne das unangenehme Gefühl abschütteln zu können, stand Erica auf, um sie zu fragen, was sie wollte.
»Ja?« Sie beugte sich über das Treppengeländer.
Kristina stand mit vorwurfsvoller Miene unten im Flur.
»Denk immer dran, die Verandatür fest zuzumachen. Das kann richtig böse enden. Gott sei Dank habe ich Noel durchs Küchenfenster gesehen. Er war bereits mit Volldampf unterwegs auf die Straße. Ich konnte ihn mir gerade noch schnappen, aber wenn man kleine Kinder im Haus hat, darf man wirklich keine Tür offen stehen lassen. Die Kleinen sind schneller weg, als man gucken kann!«
Erica wurde es eiskalt. Sie erinnerte sich genau, dass die Verandatür bei ihrer Abfahrt zu gewesen war. Nach kurzem Zögern griff sie zum Telefon und wählte Patriks Nummer. Sekunden später hörte sie Patriks Handy klingeln. Er hatte es in der Küche liegengelassen.
Stöhnend erhob sich Paula vom Sofa. Das Mittagessen war fertig, und auch wenn ihr allein beim Gedanken an Essen übel wurde, wusste sie, dass sie sich zwingen musste. Normalerweise liebte sie alles, was ihre Mutter kochte, aber seit sie schwanger war, hatte sie überhaupt keinen Appetit mehr. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie sich nur noch von Eis und Crackern ernährt.
»Da kommt ja unser Flusspferd.« Mellberg rückte ihr einen Stuhl zurecht.
Sie machte sich nicht die Mühe, auf den Scherz zu reagieren, den sie schon unzählige Male gehört hatte. »Was gibt es denn?«
»Fleischragout aus meinem Schmortopf. Du brauchst jetzt viel Eisen.« Rita schöpfte Paulas Teller randvoll.
»Danke, dass ich bei euch essen darf. Seit Johanna wieder arbeitet, habe ich überhaupt keine Lust mehr zu kochen.«
»Das ist doch
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