Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
wie ein Blasebalg keuchte, nachdem sie den gewundenen Pfad hinaufgestiegen waren, während Gösta vollkommen ungerührt wirkte.
»Hallo?«, rief er ins Haus. Im Sommer ließen hier alle die Türen und Fenster offen stehen, und anstatt anzuklopfen oder zu klingeln, machte man sich auf diese Weise bemerkbar.
Es erschien eine Frau mit Sonnenhut und Sonnenbrille, die eine farbenfrohe Tunika und trotz der Hitze dünne Handschuhe trug.
»Ja?« Sie wäre wohl am liebsten gleich wieder gegangen.
»Wir sind von der Polizei Tanum. Wir suchen Leon Kreutz.«
»Das ist mein Mann. Ich bin Ia Kreutz.« Ohne die Handschuhe abzustreifen, gab sie ihnen die Hand. »Wir sitzen gerade beim Mittagessen.«
Sie fühlte sich ganz offensichtlich gestört. Patrik und Gösta sahen sich vielsagend an. Wenn Leon genauso reserviert war wie seine Frau, würde das hier eine Herausforderung werden. Sie folgten ihr auf die Terrasse, wo ein Mann im Rollstuhl am Tisch saß.
»Wir haben Besuch. Die Polizei.«
Der Mann nickte. Er wirkte nicht überrascht.
»Nehmen Sie Platz. Wir essen nur einen kleinen Salat. Meine Frau bevorzugt diese Art von Ernährung.« Leon grinste schief.
»Mein Mann dagegen hätte das Mittagessen am liebsten ausfallen lassen und stattdessen eine Zigarette geraucht«, sagte Ia. Sie setzte sich und legte sich eine Serviette auf den Schoß. »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich weiteresse?«
Patrik gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie gern ihren Salat verspeisen durfte, während sie sich mit Leon unterhielten.
»Ich nehme an, Sie sind gekommen, um über Valö zu sprechen?« Leon hatte sein Besteck hingelegt. Eine Wespe landete auf seinem Teller und machte sich in Ruhe über das Hähnchenfilet her.
»Das ist richtig.«
»Was ist da draußen eigentlich los? Es sind ja wilde Gerüchte im Umlauf.«
»Wir haben gewisse Dinge gefunden«, antwortete Patrik abwartend. »Sie sind kürzlich nach Fjällbacka zurückgekehrt?«
Er betrachtete Leons Gesicht. Die eine Hälfte war glatt und unversehrt, die andere mit Narben übersät, und der Mundwinkel zog sich starr nach oben, so dass Leon unfreiwillig die Zähne bleckte.
»Wir haben das Haus vor einigen Tagen gekauft und sind gestern eingezogen«, sagte Leon.
»Warum sind Sie nach so vielen Jahren zurückgekommen?«, fragte Gösta.
»Vielleicht entwickelt sich der Wunsch nach Rückkehr mit der Zeit.« Leon wandte sich ab und blickte aufs Wasser. Patrik sah nun nur noch seine gesunde Seite. Es war beklemmend zu sehen, wie attraktiv Leon einst gewesen sein musste.
»Ich hätte es vorgezogen, in unserem Haus an der Riviera zu bleiben«, sagte Ia. Sie und ihr Mann warfen sich einen schwer zu deutenden Blick zu.
»Sie bekommt sonst immer ihren Willen.« Leon lächelte wieder sein merkwürdiges Lächeln. »Aber in diesem Fall bin ich stur geblieben. Ich hatte Sehnsucht.«
»Hatten Ihre Eltern nicht hier ein Sommerhaus?«, fragte Gösta.
»Ja. Sie sagten immer, sie führen in die Sommerfrische. Unser Haus lag auf Kalvö. Leider hat mein Vater es verkauft. Fragen Sie mich nicht, warum. Er hatte manchmal seltsame Ideen und wurde auf seine alten Tage etwas exzentrisch.«
»Ich habe gehört, Sie hatten einen Autounfall«, sagte Patrik.
»Das stimmt. Wenn Ia mich nicht gerettet hätte, wäre ich nicht mehr am Leben. Nicht wahr, mein Liebling?«
Das laute Klirren ihres Bestecks ließ Patrik zusammenzucken. Sie starrte Leon wortlos an. Dann wurde ihr Blick sanfter.
»Ja, mein Liebling. Ohne mich würdest du heute nicht mehr leben.«
»Und du sorgst dafür, dass ich das nie vergesse.«
»Wie lange sind Sie schon verheiratet?«, wollte Patrik wissen.
»Es sind wohl fast dreißig Jahre.« Leon drehte sich zu ihnen um. »Ich habe Ia auf einer Veranstaltung in Monaco kennengelernt. Sie war das hübscheste Mädchen dort. Und schwer zu erobern. Ich musste mich richtig ins Zeug legen.«
»Bei deinem Ruf ist es kein Wunder, dass ich skeptisch war.«
Ihr Wortgeplänkel wirkte wie ein einstudierter Tanz, bei dem sie sich zu entspannen schienen. Patrik meinte sogar ein Lächeln auf Ias Lippen zu erkennen. Er fragte sich, wie sie ohne die riesige Sonnenbrille aussah. Über den Wangenknochen spannte sich die Haut regelrecht, und die Lippen waren so unnatürlich voll, dass die Augen nur das Bild eines Menschen vervollständigen würden, der viel Geld in sein Aussehen investiert hatte.
Patrik wandte sich wieder an Leon. »Der Grund unseres Besuchs ist, wie gesagt, eine
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