Die Engelsmuehle
platonisches, wie der Mann behauptet hatte. Unwillkürlich fielen ihm Madeleines Worte über Linda ein. Sie konnte keinen Sex haben, ihreFotze war so trocken und hohl wie ein alter Baumstamm. Was man von Madeleine nicht behaupten konnte. Sie schlief immerhin mit Staatsanwalt Hauser. Demnach könnte es sich bei den Kondomen möglicherweise um ihre handeln.
Im Fach darunter lagen ein roter Lippenstift, Eyeliner, Wimperntusche und Ohrringe. Bisher hatte er Linda stets ungeschminkt und immer ohne Ohrringe gesehen. Außerdem gehörten diese wuchtigen Gebilde mit der Form zweier in sich verschlungener Schlangen ohnedies Madeleine. Wie weit würde sie sich ohne ihre Kontaktlinsen wohl entfernen? Am liebsten hätte er sofort Garek angerufen, um ihm zu erzählen, dass dieser alte Hundesohn doch recht behalten hatte und Linda ihrer Schwester Unterschlupf gewährte. Was war er doch für ein Idiot gewesen. Die beiden Frauen hatten ihn seit ihrer ersten Begegnung an der Nase herumgeführt, ihre Spielchen mit ihm getrieben und ihm eine langjährige Hassgeschichte vorgespielt. Nun wurde ihm auch klar, warum Linda ihn zum Kaffee eingeladen hatte. Sie wollte ihn aushorchen, wie weit die Fahndung nach ihrer Schwester vorangeschritten war. Und während die Beamten jeden Winkel umkrempelten, verbarg Linda ihre Schwester vor den Augen der Beamten in ihrem Haus.
»Was machen Sie so lange im Bad? Der Kaffee wird kalt.«
»Fertig.« Hogart schloss den Schrank und drehte den Wasserhahn ab.
Bevor er ins Wohnzimmer zurückkehren wollte, sah er sich im Gang um. Eine Tür führte ins Esszimmer, eine in Lindas Büro und hinter einer geschlossenen befand sich wahrscheinlich ein Abstellraum. Die Tür zum Schlafzimmer stand eine Handbreit offen. Hogart spähte durch den Spalt. Der Vorhang des Fensters war zugezogen. Am Zipfel der Decke und des Leintuchs erkannte er das gemachte Doppelbett. So weit er den Raum im Spiegel des Kleiderschranks überblicken konnte, befand sich niemand darin. Allerdings sah er nicht, ob jemand auf der zweiten Betthälfte lag.
»Herr Hogart?«
Er fuhr herum. Das Quietschen der Räder hatte er gar nicht gehört. Linda stand mit dem Rollstuhl im Korridor.
»Schöne Wohnung«, sagte er. »Geschmackvoll eingerichtet.«
»Danke. Der Bungalow gehörte meinen Eltern. Er war sozusagen ihr Zweitwohnsitz neben der Engelsmühle.«
»Ich kenne die Mühle. Madeleine hat die untere Etage in ein Atelier umgewandelt«, sagte Hogart.
Linda zuckte mit den Achseln. »Kann sein, ich war schon lange nicht mehr dort. Seit meinem Unfall ist es ziemlich beschwerlich, mit dem Rollstuhl den Weg zur Mühle hochzufahren. Damals kauften meine Eltern dieses Haus. Der Vorbesitzer war ebenfalls Rollstuhlfahrer, wir mussten nicht viel umbauen.«
Sie setzten sich ins Wohnzimmer, wo Linda seine Tasse füllte. Sie tranken Kaffee und aßen Kuchen.
»Wie sahen Madeleines erste Gemälde aus?«
Linda sah ihn fragend an.
»Ihre Frühwerke. Wovon handelten sie?«
»In ihrem ersten Zyklus malte sie Bilder von der Engelsmühle, der Engelmacherin und dem Brunnen. Angeblich gibt es da eine Sage, die sie schon immer faszinierte.«
»Haben Sie nie den Drang verspürt, selbst wieder zu malen?«
»Aber das haben wir doch schon einmal besprochen.« Sie lächelte. »Ich fühle mich wie ein Fisch im Sand, und wenn …« Plötzlich verstummte sie. Sie blickte kurz zu Hogart, dann sah sie rasch weg.
Wie ein Fisch im Sand. Diesen Satz hatte Madeleine erst unlängst zu ihm gesagt, als er sich mit ihr im Michaelerkeller über Malerei unterhalten hatte.
Hogart schob die Kaffeetasse beiseite. Er faltete die Hände zusammen und wurde ernst. »Linda, ich schlage vor, wir lassen das Theater.«
Sie sah ihn irritiert an. »Welches Theater?«
»Kommen Sie. Draußen patrouilliert die Polizei, um Sie zu Ihrem eigenen Schutz zu observieren, dabei ist das völlig unnötig, nicht wahr?«
»Das behaupte ich doch die ganze Zeit: Es ist lächerlich.«
»Genau. Weil Ihnen Madeleine nie etwas antun würde. Habe ich recht?«
»Stimmt, sie ist meine Schwester.«
»Und Sie gewähren ihr Unterschlupf!« Hogart beobachtete Lindas Reaktion.
Der Frau stockte für einen Moment der Atem, dann begann sie zu lachen. »Sie sind verrückt!«
»Wo hält sich Madeleine versteckt?«
»Warum sollte sie sich verstecken?« Lindas Stimme zitterte. »Weil sie eine Mörderin ist.«
Linda ließ die Worte auf sich einwirken. »Verlassen Sie bitte mein Haus!«
Hogart erhob sich, doch nicht,
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