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Die Engelsmuehle

Die Engelsmuehle

Titel: Die Engelsmuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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durchzulassen, falls Sie auftauchen.« Der Beamte öffnete ihm die Tür.
    Im Haus roch es nach Kaffee und Kuchen. Hogart hörte das Scheppern eines Backblechs.
    Zaghaft ging er in den Vorraum. »Hallo?«
    Niemand war im Wohnzimmer, niemand in der Küche. Die Kaffeemaschine gluckste, die Backrohrbelüftung lief, Zucker und Milch standen in blau gepunkteten Schalen bereit, dazwischen eine Dose Staubzucker. Daneben lag ein Tablett mit einem dampfenden Rosinenkuchen. Es sah aus wie in Sabinas Küche, wenn sie für Kurt, Tatjana und ihn eine Jause vorbereitete, was leider nur zu selten vorkam. Bei dem Anblick begann Hogarts Magen zu krachen. Als er wieder das Wohnzimmer betrat, war Linda plötzlich hinter ihm. Ihre Hände lagen auf den Rädern des Rollstuhls.
    »Sie sind ja doch noch gekommen.« Sie lächelte. Die Lesebrille hing am Lederband um ihren Hals. »Hat Sie meine Leibgarde nach Waffen durchsucht?«
    »Ihnen fehlt der nötige Ernst.«
    »Machen Sie nicht so ein Gesicht. Wie verlief Ihr Gerichtstermin?«
    »Auf unbekannte Zeit verschoben.« Mehr sagte er nicht.
    »Oh, ziemlich schweigsam jetzt. Heute Morgen auf dem Friedhof waren Sie gesprächiger.« Sie deutete zur Wohnzimmercouch. »Nehmen Sie doch Platz. Trinken Sie Kaffee?«
    »Schwarz, ohne Zucker, danke.«
    »Sie haben einen Schmierfilm an der Schläfe. Ist das Dreck?« Sie rümpfte die Nase. Hogart fuhr sich über die Stirn.
    »Und Ihre Fingernägel. Sie haben doch nicht etwa in der Erde gewühlt?«
    Natürlich, das bemerkte sie sofort. Aber wenn er in der Akademie mit einem frischen Veilchen aufkreuzte, fiel ihr nichts auf.
    »Ich hatte eine Autopanne«, log er. »Musste den Reifen wechseln. Deswegen habe ich den Gerichtstermin verpasst.«
    »Verstehe. Sie sind ja nicht wirklich Automechaniker, da kann so eine Panne schon recht lange dauern.«
    Witzig. »Darf ich mich im Bad frisch machen?«
    Sie zögerte einen Moment. »Aber bitte.« Sie zeigte ihm den Weg ins Badezimmer und verschwand anschließend in die Küche, wo sie mit dem Geschirr klapperte.
    Hogart sah sich um. Handwaschbecken, Bidet und Toilette waren niedriger als gewöhnlich. Zu beiden Seiten der Badewanne befanden sich Haltegriffe. Der gesamte Raum war behindertengerecht eingerichtet.
    Hogart betrachtete sein Gesicht im Wandspiegel. Er sah komplett erledigt aus. Zu viele Sorgen, zu wenig Schlaf. Auf der Stirn befand sich tatsächlich ein dunkler Streifen. Anscheinend färbte der Benzinkanister ab, und er hatte sich die Schmiere ins Gesicht gerieben.
    Während der Wasserhahn lief und er sich die Hände einseifte, rief Linda aus dem Wohnzimmer. »Was gibt es Neues von der Obduktion?«
    »Keine Ahnung.«
    »Keine Ahnung? Sie kennen doch die Leute von der Kripo.«
    »Ja … aber nicht den Pathologen, ich …« Hogart verstummte, als er den Kontaktlinsenbecher auf der Ablage sah.
    »Was ist mit dem Pathologen?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Bartoldi ist ein seltsamer Kauz. Der braucht oft ein bis zwei Wochen, bis er zu einem Ergebnis kommt«, log Hogart. Während er redete und das Wasser laufen ließ, öffnete er den Kontaktlinsenbecher. Linda trug stets eine Lesebrille, aber in dem Behälter schwammen zwei dunkel gefärbte Haftschalen. Madeleines Augenfarbe war dunkelbraun, fast schon schwarz. Warum lagen ihre Kontaktlinsen in Lindas Badezimmer?
    Hogarts Herzschlag begann zu rasen. Der Wasserhahn lief immer noch, der Spiegel beschlug bereits vom Dampf. Hogart öffnete den Hängeschrank neben dem Waschbecken. Darin befand sich nichts Auffälliges, bloß ein Stück Seife, Cremes, eine Zahnbürste, Zahnpasta, Wattestäbchen, Klopapierrollen, Tampons und Damenbinden. Bei den Medikamenten lagen ein Abführmittel und eine geöffnete Packung Schlafmittel: Rohypnol. Bei dem Gedanken, in Lindas Intimsphäre einzudringen, schoss ihm die Hitze zu Kopf. Er betrachtete die Tampons. Eigentlich hätte er es sich denken können. Wenn eine Frau von der Hüfte an abwärts querschnittgelähmt war, bedeutete das nicht, dass sie keine Periode bekam. Hogart öffnete den Wandschrank auf der anderen Seite des Spiegels. Bei dem Anblick gefror ihm das Blut in den Adern.
    »Brauchen Sie noch lange?«, rief Linda vom Wohnzimmer.
    »Ich komme gleich.« Hogart starrte auf die rote Packung Durex. Gefühlsecht, mit zehn Kondomen. Die Schachtel war offen und enthielt nur noch vier Präservative. Das Ablaufdatum war erst in einem Jahr. Bis vor zwei Jahren hatte Linda noch ein Verhältnis mit Rektor Priola gehabt - ein ziemlich

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