Die Engelsmuehle
Bis später.« Hogart nahm den Behälter und ging zu seinem Wagen.
»Wo willst du hin?«
»Muss noch was erledigen. Danach besuche ich Linda. Sie hat mich zum Kaffee eingeladen.«
»Lass es dir schmecken«, ätzte Garek.
»Ja, ja - vielleicht finde ich einen Hinweis, wo sich Madeleine aufhält.« Immerhin war sie der Schlüssel zu dem Versicherungsfall, und er musste Kohlschmied spätestens heute Abend eine konkrete Spur servieren, damit er aus diesem verdammten Vertrag mit der Konkurrenzklausel herauskam.
»Vergiss deine Gerichtsvorladung nicht! Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.«
»Ja, ja«, murrte Hogart.
»Und zu Linda kein Wort über die Leiche!«
»Du hältst mich wohl für bescheuert?«
»In der Tat!« Hogart antwortete nicht. Er wuchtete den Benzinkanister in den Kofferraum.
»Übrigens könnte dich das interessieren.« Garek schlenderte zu Hogarts Wagen. »Wir haben verbrannte Stoff- und Plastikreste im offenen Kamin der Mühle gefunden.«
»Von einem Duschvorhang, der als Unterlage für den Ostrovsky-Mord verwendet wurde?«, vermutete Hogart.
»Beispielsweise …« Garek nickte. »Aber nicht nur das. In der Asche lag unter anderem ein verkohltes Videoband.«
Hogart hob die Augenbrauen. »Eine 8-mm-Kassette von einem Camcorder?«
»Könnte hinkommen.«
Da war es also, das Sony-Videoband mit der Nummer 348. »Es gehörte meinem Bruder«, sagte er. »Damit begann die ganze Scheiße.«
25
Zu Hause angekommen wanderten die Schuhe, die Anzughose und das zerrissene Hemd sofort in den Mülleimer. Nach einer heißen Dusche überlegte Hogart, ob er etwas essen sollte. Bis auf den Frühstückskaffee, der ihm vorhin durch die Nase gelaufen war, hatte er nichts im Magen, und mittlerweile war es kurz vor vier Uhr. Die Zeit lief ihm davon. Also würgte er rasch ein Sandwich runter und verließ anschließend die Wohnung.
Er fuhr mit dem Wagen zu dem Labor in der Rosensteingasse und fand den Chemiker, mit dem er am Vormittag telefoniert hatte. Von wegen der Beste seines Jahrgangs! Albert trug eine Hornbrille und sah aus, als hätte er erst kürzlich sein Studium abgebrochen und jobbte nun als Teilzeitkraft, um sich ein paar Euros zu verdienen. Hogart schleppte den Benzinkanister durch Alberts Büro und wuchtete ihn auf den Tisch.
»He, was soll …?«
»Bitte!«, unterbrach Hogart ihn. »Tun Sie mir einen Gefallen. Untersuchen Sie den Kanister samt Inhalt und finden Sie heraus, ob es sich dabei um den gleichen Behälter handelt, dessen Reste Sie aus dem geschmolzenen Glas extrahiert haben.«
Albert lachte gekünstelt auf, dann blickte er zur Wanduhr. »Ich gehe jetzt nach Hause.«
»Ich brauche das Ergebnis noch heute Abend«, drängte Hogart.
»Wer sind Sie? Etwa mein Boss oder meine Mutter?«
Hogart atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Okay, die Zeit drängte, und er hatte es falsch angepackt. »Ich brauche das Ergebnis noch heute Abend«, wiederholte er leise. »Falls Sie mir die Daten rechtzeitig liefern, beteilige ich Sie an meinem Honorar.«
»Oh, Ihr Honorar, verstehe!« Albert lachte wieder gekünstelt. »Und um wie viel handelt es sich dabei, Rockefeller?«
Hogart ging zur Tür. »Genug, um Ihr Studium zu beenden.«
»Woher wissen Sie, dass ich mein Studium abgebrochen habe?«, rief Albert ihm nach.
Hogart wandte sich um und warf einen kurzen Blick ins Büro.
»Auf Ihrem Namensschild an der Tür steht kein Titel, und die Staubschicht auf Ihren Chemiebüchern im Schrank ist dicker als das Glas Ihrer Hornbrille.«
Alberts Kinnlade klappte herunter.
»Bis heute Abend, Kumpel.« Hogart verließ das Labor.
Während Hogart quer durch die Stadt und dann über die große Uferstraße zum Donaupark fuhr, setzte das Sommergewitter ein. Am Himmel entstand ein merkwürdiges Zwielicht, das den Horizont in orange und violette Farbtöne tauchte. Blitze zuckten jenseits der Wolkendecke, Nieselregen setzte ein und ein gigantischer Regenbogen überzog die Stadt.
Als Hogart die Bungalowsiedlung neben dem Donauturm erreichte, liefen die Menschen mit Zeitschriften über den Köpfen an seinem Wagen vorüber. Eilig verschwanden sie in ihre Häuser. Der blaue Toyota mit den beiden Männern parkte immer noch zwischen den Bäumen. Zusätzlich stand ein weiterer Beamter vor Lindas Tür.
»Peter Hogart«, stellte er sich dem Mann vom Observierungsteam vor und wollte ihm seinen Ausweis zeigen, doch der wehrte ab.
»Ich kenne Sie. Gehen Sie rein, Frau Bohmann hat ausdrücklich verlangt, Sie
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