Die Engelsmuehle
schlafen.«
Mit aller Gewalt versuchte Hogart, die Augen zu öffnen. Er durfte nicht einschlafen. Er kroch auf allen vieren über den Boden, bis er merkte, dass er auf dem Bauch lag. Verzweifelt versuchte er, sich mit einem Arm zur Tür zu ziehen. Draußen stand das gesamte Personal der Wiener Kripo, und diese verdammte Schlange hatte ihn betäubt. Er sah sich verzweifelt um, da er befürchtete, Madeleine könnte jeden Moment aus dem Schlafzimmer auf ihn zustürzen und mit der Schere auf ihn einstechen.
»… warum …?« Hogart brachte die Augen nicht mehr auf. Sein Kopf füllte sich mit einer tiefen Schwere.
»Warum ich das getan habe?« Lindas Stimme klang so weit entfernt, als spreche sie durch eine Telefonleitung vom anderen Ende der Welt. Nach einer Weile beugte sie sich zu ihm runter. Ihr Kopf war ganz nahe bei ihm. Er spürte ihren Atem. Dann berührte sie sein Augenlid und zog es hoch. Grelles Licht blendete ihn.
»Ich brauche Sie hier …«
Die restlichen Worte versanken wie in einem Wattekissen.
Hogart erwachte auf dem Parkettboden in Lindas Wohnzimmer. Mit dröhnenden Kopfschmerzen öffnete er die Augen. Ein Teelicht flackerte auf dem Couchtisch. Sonst war der Raum dunkel. Draußen herrschte finstere Nacht. Im Lichtblitz sah er, wie sich die Bäume im Wind bogen. Regen trommelte gegen die Fensterscheiben. Ein Donner krachte.
Hogart versuchte, sich aufzurichten, doch seine Arme und Beine fühlten sich an, als seien sie eingeschlafen. Erst jetzt bemerkte er das Surren. Das Klingeln seines Handys musste ihn geweckt haben. Mit gefühllosen Fingern zog er es aus der Hosentasche. In diesem Moment verstummte es. Elf Anrufe in Abwesenheit zeigte das Display. Jedes Mal dieselbe Nummer: Kohlschmied. Mittlerweile war es kurz nach 22.00 Uhr. Die Generalversammlung von Medeen & Lloyd hatte an diesem Abend bestimmt die Zahlung der sieben Millionen an die Gebietskrankenkasse beschlossen, und der arme Kerl musste nun seinen Kopf hinhalten. Doch im Moment konnte Hogart sich nicht um Kohlschmied kümmern.
Ein weiterer Blitz hellte die Umgebung auf. Unmittelbar darauf folgte der Krach des Donners. Draußen tobte ein beängstigendes Gewitter. Hogart griff instinktiv zur Waffe, doch das Holster war weg. Er rappelte sich auf und versuchte, sich zu erinnern. Linda musste ihm die Waffe abgenommen haben … nein, falsch … die verdammten Kopfschmerzen machten ihn noch verrückt. Wo war die Glock? Jetzt fiel es ihm ein. Er hatte sie am Nachmittag neben dem Brunnen der Engelsmühle liegen lassen. Das Telefonat mit Kohlschmied und der Leichenfund hatten ihn abgelenkt. Über der Steinmauer hing auch sein Mantel, doch der war im Moment unwichtig. Falls jemand die Waffe in die Finger bekam, konnte Hogart sich gratulieren. Die Glock war auf ihn registriert, und auf dem Magazin, dem Lauf und dem Griff waren seine Fingerabdrücke. Im Moment ging sowieso alles den Bach runter. Warum hätte er auch ausgerechnet diesmal Glück haben sollen?
Er zog sich am Couchtisch hoch und taumelte zum nächsten Türstock, wo er verschnaufte. Sein Schädel fühlte sich an, als hätte ihn ein Bulldozer gerammt - und er war durstiger als ein Krokodil in der Wüste. Nachdem er in der Küche zwei Gläser Wasser hinuntergestürzt und sich ein nasses Geschirrtuch in den Nacken gelegt hatte, ging er zur Eingangstür. Sogleich peitschte ihm der Regen ins Gesicht und machte ihn munter. Der blaue Toyota war weg.
Er rief Garek an. Der Beamte meldete sich nach dem dritten Klingelton. »Wo ist Linda?«, fragte Hogart. »Das fragst ausgerechnet du?«
»Was? Ich habe keine Zeit für blöde Antworten. Wo ist sie?«
»Hör mir mal genau zu«, knurrte Garek. »Der leitende Kripochef hat die Observierung eingestellt, die Kollegen wurden abgezogen.«
»Du verarschst mich?«
»Schön wär’s. Linda hat sich bei der Polizeidirektion über die Einschränkung ihrer Privatsphäre beschwert. Sie sagte, du wärst ohnehin bei ihr und würdest dich um sie kümmern. Die Beamten haben mir bestätigt, dass du ihr Haus betreten hast. Ich habe mich zunächst dagegen gewehrt, aber einen Anschiss von oberster Stelle kassiert, da wir die persönliche Freiheit einer Bürgerin einschränken.« Garek machte eine Pause. »Erzähl mir jetzt bloß nicht, sie ist dir abhandengekommen.«
Abhandengekommen war untertrieben. »Sie betäubte mich, kurz nachdem ich ins Haus kam.« Hogart ging ins Badezimmer. »Keine Ahnung, wo sie ist. Jedenfalls nicht in ihrem Bungalow.«
»Klasse
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