Die Engelsmuehle
gemacht, Hog.«
»Und noch was.« Hogart öffnete den Hängeschrank neben dem Spiegel. Die Fächer waren leer. Keine Spur von den Kondomen, Madeleines Schminksachen, den Ohrringen oder ihren Kontaktlinsen. »Du hattest recht, die beiden stecken unter einer Decke. Madeleine hat ihre Spuren verwischt. Die möchte garantiert abhauen.«
»Welche Spuren?«
»Frag nicht lange. Schick eine Fahndung nach Linda raus.« Garek stöhnte auf. »Plassonick reißt mir den Kopf ab.«
»Tu es!«
»Ja, ja, weit kann sie ja nicht kommen. Was machst du?«
»Muss was erledigen.« Hogart beendete das Gespräch. Die Zeit lief ihm davon. Er musste sofort zur Engelsmühle, um seine Waffe zu holen.
Hogarts Autoscheinwerfer rissen Teile der Bergkuppe aus der Dunkelheit. Die Föhren bogen sich im Wind. Der Brunnen und die Holzscheune waren in der Gewittersuppe nur undeutlich zu erkennen. Dahinter thronte das Gemäuer der Mühle auf der höchsten Stelle des Hanges. Als ein Blitz die Umgebung in gleißendes Licht tauchte, warfen die Flügel der Mühle lange Schatten, wie überdimensionale Spinnenbeine, über den Hang.
Hogart lenkte den Wagen so weit wie möglich durch den Schlamm den Hügel hinauf. Als er den Motor abstellte, hörte er das Knallen der Vorratskellertür, die der Wind auf und zu schlug. Er sprang aus dem Auto und war sofort bis auf die Haut durchnässt. Es regnete, als hätten Himmel und Hölle ihre Tore gleichzeitig geöffnet. Das Wasser brauste wie eine Sturzflut über die Bergkuppe und riss Erde, Aste und Nadeln mit sich in den Wald.
Eichingers metallic-schwarzer Audi stand neben dem Brunnen. Diesmal war das Schiebedach geschlossen. Doch von dem Beamten fehlt jede Spur. Hogart wollte bereits nach Eichinger rufen, als er Lindas Wagen im Lichtblitz sah. Der Van parkte neben dem Kohlenkeller. Die Heckklappe stand offen. Eine Hacke, mehrere Spaten und Müllsäcke lagen im Kofferraum. Linda war sicher nicht alleine zur Mühle gefahren. Bestimmt befand sich Madeleine in ihrer Nähe. Hogart sah sich um, konnte jedoch niemanden erkennen.
Trotz des Gewitters riss die Wolkendecke für einen Moment am Horizont auf. Der Vollmond bestrahlte die Bäume auf der Bergkuppe, ehe sich wieder die schwarze Wolkenfront davorschob. Hogart kam die Legende des Brunnens in den Sinn, der sich bei jedem Vollmond mit Wasser füllen sollte. Bei dem Regen in dieser Nacht war das kein Problem. Hogart umrundete den Brunnen. Sein Schulterholster lag tatsächlich im Schlamm, die Glock steckte noch drin. Über der Mauer hing sein Mantel. Das vom Regen vollgesogene Ende schleifte über den Boden und klatschte immer wieder gegen den Brunnen. Als sich Hogart nach der Waffe bückte, sah er unter dem Mantel ein Mobiltelefon im Schlamm. Eichingers Nokia-Handy. Ausgerechnet hier? Bevor es im Regen kaputtging, steckte er es ein. Seinen Mantel ließ er hängen. Er nahm nur die Waffe an sich und rannte über den Platz zum Vorratskeller.
Die Spurensicherer hatten den gesamten Keller ausgeräumt. Gelbe Bänder flatterten im Sturm. Hogart stellte sich kurz unter den Türstock und sah zur Mühle. Der Wind peitschte die gigantischen Flügel hin und her. Die Seile, welche die Holzkonstruktion fixierten, knarrten so laut, dass man sie trotz des prasselnden Regens hörte. Da ging das Licht im ersten Stock an. Ein Schatten huschte am Fenster vorüber. Kurz daraufflackerte das Licht einer Petroleumlampe auch hinter dem Atelierfenster.
Hogart lief auf den Eingang der Mühle zu. Im Atelier wischte er sich das Regenwasser aus dem Gesicht. Blitz und Donner folgten unmittelbar aufeinander. Das Krachen war so laut, dass Hogart befürchtete, das Gemäuer könne einstürzen.
Mitten im Atelier, umgeben von Madeleines Gemälden, saß Linda im Rollstuhl. Sie stellte soeben eine Petroleumlampe auf den Boden. Schlamm klebte an den Rädern des Rollstuhls. Lindas Haare waren zerzaust und feucht. Demnach hielt sie sich noch nicht lange in der Mühle auf.
»Es hat eine Weile gedauert, bis Sie hier auftauchten.« Sie legte die Hände auf die Wolldecke in ihren Schoß.
Hogart trat einen Schritt näher, behielt jedoch den Treppenaufgang zum ersten Stock im Auge, falls Madeleine herunterkommen sollte. »Warum haben Sie mich betäubt?«
Linda lächelte. »Ich dachte, Sie wären Detektiv. Haben Sie wirklich keine Ahnung?«
Er war völlig durchnässt, hatte den Versicherungsfall nicht rechtzeitig gelöst und außerdem solche Kopfschmerzen, als wolle ihm der Schädel jede Sekunde
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