Die Engelsmuehle
Madeleine balancierte das Tablett auf ihrem Schoß. »Rohschinken, Käsewürfel und Weintrauben - bon appetit.«
Ihr Blick fiel auf die Schachtel Stuyvesant. »Ich dachte, du rauchst nicht.«
»Nur für Notfälle.«
»Junge, du denkst aber auch an alles.«
Er öffnete den Sekt und sie aßen die Sandwiches. Zwischendurch schaltete Madeleine mit der Fernbedienung die Stereoanlage an und spielte eine CD ab.
»Sade«, stellte Hogart fest.
Madeleine schmunzelte. »Der Mann ist gut. Ihre Love Deluxe finde ich am besten.«
»Und ich dachte, du stehst mehr auf die Musik von Marilyn Manson.«
Statt eine Antwort zu geben, drehte sie die Musik lauter. Hogart genoss die sanften, erotischen Pianoklänge und Sades unverwechselbare Stimme. Angeblich wurden zu diesen Songs mehr Babys gezeugt als zu anderer Musik. Für einen Moment dachte er an die Motive der Gemälde, die ein Stockwerk tiefer auf den Staffeleien standen. Was für ein Gegensatz zu dieser Musik. Madeleine war nicht nur eine vielseitige, sondern auch zutiefst widersprüchliche Frau, aus der Hogart nicht schlau wurde.
Plötzlich rückte sie näher, schob völlig überraschend ihren Rock über die Oberschenkel und setzte sich auf ihn.
»Ooops!« Kichernd bemerkte sie, dass sie etwas Sekt aus dem Glas verschüttet hatte. Sie presste die Schenkel zusammen und bewegte ihren Unterleib, sodass der Rock höherrutschte. Hogart sah ihre weißen Oberschenkel.
»Du fühlst dich wohl nicht gern bedrängt?«, fragte sie mit einem gespielt drohenden Unterton in der Stimme.
Statt eine Antwort zu geben, strich er zärtlich mit den Händen über ihre Haut. Die Beine fühlten sich weich und warm an. Über ihren Hüften spürte er den engen String ihres Tangas. Hogart fuhr mit den Fingern darunter.
»Oh …« Sie kicherte. »Ich sehe, das gefällt dir.« Sie presste ihr Schambein gegen die Wölbung seiner Hose.
Hogart spürte, wie das Blut in sein Glied gepumpt wurde. Sein Penis hörte nicht mehr auf zu pochen.
Sie beugte sich zu ihm herunter. »Wie macht es das Männchen der Gottesanbeterin?«, flüsterte sie in sein Ohr.
»Was?« Er versuchte, sich aufzurichten, doch sie drückte ihn nieder.
»Langsam - laaangsam macht es das Männchen«, hauchte sie. »Falls es zu forsch ist oder sich zu rasch bewegt, wird es von der Gottesanbeterin gefressen, weil sie es als Beute betrachtet.«
Da war sie wieder, diese perfide Mischung aus Erotik, Lust und Tod. Unwillkürlich nahm er die Hände von ihren Hüften.
»Was hast du?«
»Ich …«
Plötzlich schoss sie nach vorne und steckte ihm die Zunge in den Mund. Sein Hinterkopf knallte an die Wand. Auf dem Regal über ihm kippten einige Bilderrahmen um, einer davon polterte zu Boden. Er spähte zur Seite.
Sie löste sich von ihm. »Was hast du, verdammt?«, fragte sie weiter, als sie ihn dabei ertappte, wie er das Foto auf dem Boden betrachtete.
»Ist das Linda?« Er deutete auf das Bild. »Damals hatte sie noch längeres Haar.«
»Bitte?«, rief sie, während sie von ihm herunterkletterte und eine Armlänge von ihm wegrückte. »Du hast es voll drauf, einen romantischen Abend zu zerstören.«
»Was habe ich falsch gemacht?«
»Was du falsch machst?«, rief sie. »Ich lege Sade auf, und du fragst mich nach dieser eingebildeten Kuh? Damals hatte sie noch längeres Haar«, äffte sie ihn nach.
Hogart spürte, wie seine Halsschlagadern vor Zorn anschwollen.
»Lass doch dieses verdammte Bild auf dem Boden liegen. Stört es dich?« Sie griff zum Sektglas und schüttete den Inhalt über den Bilderrahmen. Fehlte noch, dass sie das Glas hinterherwarf.
»Krieg dich wieder ein«, murmelte er.
»Ich soll mich einkriegen?«
»Herrgott, es ist doch nur ein Bild. Sie ist immerhin deine Schwester. Ich dachte …«
»Falsch gedacht!« Sie fixierte ihn mit scharfen Augen. »Okay, ich sag dir was!« Sie zog den Rock über die Knie. »Immer dreht sich alles um sie.«
»Wir müssen nicht schon wieder über Linda reden«, versuchte er sie zu beruhigen.
»Nein, schon gut, lass es! Sie ist immer im Mittelpunkt. Schon bei der Geburt. Sie kam zehn Minuten vor Silvester zur Welt und war der gesamte Stolz der Familie. Mich holten diese Idioten von Ärzten erst eine halbe Stunde später raus. Die wussten vorher nicht einmal, dass Mutter mit Zwillingen schwanger war. Seitdem lebe ich in Lindas Schatten, vollkommen egal, was ich mache. Ständig dreht sich alles um sie, die arme Linda in ihrem Rollstuhl.«
Madeleine stellte das Sektglas zur Seite.
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