Die Engelsmuehle
aber er kam nicht dahinter, was darauf zu sehen war, das es wert war, versteckt zu werden.
»Und wenn der Film nichts zu sagen hat?«
»Dann wird sich Garek darum kümmern.«
Kurt runzelte die Stirn, wie immer, wenn er angestrengt nachdachte. Bestimmt ging ihm genauso wie Hogart die Aussage des Primars durch den Kopf, wonach er sich gescheut hatte, das Video der Kripo auszuhändigen. »Eine Stunde! Dann muss ich wieder in die Praxis.«
»Versprochen.«
Die Dornauer Klinik lag am östlichen Stadtrand von Wien, wo die Donau das Stadtgebiet verlässt und das Augebiet begann.
Das Fenster von Hogarts Auto stand offen, aber er kurbelte es rasch nach oben. Die hohe Luftfeuchtigkeit trieb ihm den Schweiß aus den Poren. Kurioserweise war die Donau in der brütenden Hitze dieses Frühjahrs nahezu ausgetrocknet. Um die kleinen Inseln mit den Weiden bildeten sich großflächige Sandbänke. Dazwischen tauchten immer wieder Strudel und Stromschnellen auf, die dem Fluss eine erdbraune Farbe verliehen. Der meterhohe Hochwasserschutzdamm schien im Moment völlig unnötig zu sein.
Nahe am Ufer sah Hogart bereits die Türme der Reha-Klinik durch die Bäume. Er stellte den Wagen in der Besucherzone zwischen einem Audi und einem Mercedes ab. Von dort gingen sie durch einen Park, der um das Gebäude herumführte. Die Klinik war im altertümlichen Krankenhausstil errichtet worden. Graues Mauerwerk und hohe vergitterte Fenster blickten durch das Blätterdach der Bäume. So hatte sich Hogart immer das perfekte Geriatriezentrum vorgestellt: So weit das Auge reichte nur Rundbögen, Säulen und wuchtige Balustraden, die auf die Psyche drückten. Hogart malte sich die hohen, nach Kalk stinkenden Räume und die endlos langen Gänge bildhaft aus. In diesem Loch mussten sogar halbwegs gesunde Patienten krank werden.
»Du sagtest, das wäre eine Privatklinik?«
Kurt nickte. »Ich sagte aber auch, dass ich nie einen meiner Patienten dorthin schicken würde.«
»Wie ist Dornauer überhaupt zu diesem Gebäude gekommen?«
Kurt erzählte, dass es früher eine Kuranstalt gewesen war, die der Architekt Moreau 1805 errichtet hatte. Einer Sage zufolge habe ein Basilisk den Brunnen vergiftet. Später fand man heraus, dass es sich um Schwefelquellen handelte, dennoch trug das Thermalwasser auch heute noch den Namen Basiliskenquelle. Die Gemäuer beherbergten immer noch die alten Dampfbäder, mit denen man jahrzehntelang arthritische und rheumatische Beschwerden, Leber-, Gallen- und Nierenleiden, Gelenks- oder Wirbelsäulenprobleme behandelt hatte. Als die Anstalt 1971 geschlossen wurde, übernahm Doktor Dornauer das Areal von der Stadtgemeinde zu einem Spottpreis, um seine private Reha-Klinik zu eröffnen. Seitdem hatte er nichts investiert.
Je näher sie durch den Park an das Gebäude herankamen, desto intensiver stank es nach Schwefel, als treibe sich tatsächlich ein Basilisk in der Gegend herum. Das Freischwimmbecken mitten im Wald war leer. Auf den abgeschlagenen Fliesen lagen Äste und verrottete Blätter vom letzten Herbst. Das in Marmor gemeißelte Logo - eine stilisierte Therme mit der Äskulapschlange - war zur Hälfte von wildem Efeu umwuchert.
Endlich kamen sie zum Eingangsbereich. Unmittelbar vor dem Treppenaufgang stand eine Handvoll Autos.
»Hierhin kann man auch fahren?«, fragte Hogart.
»Ja, ist aber ein Umweg über die andere Seite, weil …«
»Still!« Hogart deutete auf einen metallic-schwarzen Audi. »Eichingers Wagen«, flüsterte er. Das Schiebedach stand offen. Hogart legte den Kopf schief. Er hörte das Knacken von Funkgeräten.
An der Balustrade lehnte ein Polizeibeamter, der soeben einen Zigarettenstummel über die Brüstung schnippte.
»Hier stimmt etwas nicht«, sagte Hogart. »Eichinger ist hier, aber das ist nicht sein Revier. Für diese Gegend ist das KK-Ost zuständig.«
»Gehen wir hin und fragen, was los ist«, schlug Kurt vor.
»So wie gestern?« Hogart dachte daran, dass er sich im Kaiserin-Elisabeth-Spital als Ermittler ausgegeben hatte. »Keine gute Idee.«
Sie standen hinter dem letzten Baum am Wegende und beobachteten, wie einige Beamte das Gebäude verließen und zu ihren Wagen gingen.
»Was ist damals zwischen dir und Eichinger vorgefallen?«
Hogart schwieg.
»Du sagtest, die meisten im Dezernat könnten ihn nicht leiden …«
»Was soll ich dir erzählen?«, fragte Hogart. »Eichingers Kollegen kassieren Geld von Bordellbesitzern, weil sie Planquadrate verraten, oder brechen den
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