Die Engelsmuehle
Gaugin.«
»Warum standen die beiden in Briefkontakt?«
Madeleine schob einige Farbpaletten zur Seite und zog eine in Leder gebundene, besprenkelte Mappe hervor. »Browning interessierte sich für Gaugins Arbeit als Wissenschaftler. Der Arzt stand Browning während der Dreharbeiten sozusagen als medizinischer Berater zur Seite. Einige von Gaugins …« Sie machte eine Pause. »… Patienten sind in der Rohfassung von Brownings Film zu sehen. Vor der Uraufführung wurden diese Szenen von Browning allerdings rausgeschnitten, als ihm klar wurde, dass Gaugin ein Verrückter war, der die Schuld dafür trug, dass seine Patienten so aussahen, wie sie aussahen.«
Hogart warf einen Blick auf die Gemälde. Währenddessen schlug Madeleine die Mappe auf. Einige lose, handbeschriebene Blätter lagen darin.
Hogart trat näher. »Das sind doch nicht etwa …?«
»Doch! Brownings Briefe aus den Jahren 1929 bis 1931.«
Hogart fuhr mit dem Finger über das vergilbte, brüchige Papier. Bei Brownings Signatur hielt er inne. Ihm stockte der Atem. Es war nicht zu fassen. Dieser Schatz lag hier einfach so herum, zwischen Farbpaletten und Leinwänden. Es brauchte nur ein Wasserglas umzustürzen, und die Dokumente wurden unleserlich.
»Du hast diese Briefe doch nicht auf dem Flohmarkt gekauft?«
»Von einem befreundeten Malerkollegen aus Zagreb. Ich kann dir nicht sagen, woher der sie hatte. Während meiner Reisen nach Belgrad und Bukarest, in die rumänische Hafenstadt Giurgiu und nach Varna in Bulgarien habe ich vieles gesehen. Damals fand ich mehr über meine wahren Interessen heraus. Zu jener Zeit festigte sich mein Malstil.« Sie sah sich um. »Ich habe bis jetzt gebraucht, um das aus meinem Kopf heraus auf die Leinwand zu bringen.«
Hogart fragte sich, wie lange er brauchen würde, um diese Bilder aus seinem Kopf zu bekommen.
Sie sahen sich lange Zeit an, ohne ein Wort zu sagen. Die Erotik, die er noch vor Kurzem in der Hütte zwischen ihnen gespürt hatte, war verflogen und einem morbiden Gefühl gewichen.
»Das ist nicht deine Welt, oder?«, fragte Madeleine schließlich.
Er schüttelte den Kopf. »Bis auf das Autogramm nicht.«
»Solange ich an dem Zyklus male, möchte ich es behalten. Anschließend kannst du es haben.«
Hogart nickte. Nach Madeleines derzeitiger Verfassung konnte das Jahre dauern.
»Noch hungrig?«, fragte sie.
»Was erwartest du nach diesen Bildern?«
Sie lächelte. »Komm mit nach oben, dort gefällt es dir bestimmt besser.« Sie ließ die Petroleumlampen brennen und ging durch das Atelier.
Hogart folgte ihr zu einer Tür, hinter der eine schmale lange Treppe in das obere Stockwerk führte.
Madeleine hatte nicht zu viel versprochen, was den Wohnbereich betraf. Die Räume wirkten so gemütlich wie die Stube einer Blockhütte. Stehlampen, gedimmte Spots an der Decke, ein Parkettboden mit dickem Teppich, Holzkommoden und eine Leseecke mit Bücherregalen und Schaukelstuhl sorgten für eine wohnliche Atmosphäre. Durch die Zimmermitte verlief die Holzkonstruktion, die früher den Mühlstein bewegt hatte. Mittlerweile war das Loch in der Decke zum Abzug eines offenen Kamins umfunktioniert worden. Madeleine entfachte ein Feuer im Kamin. Anschließend schlüpfte sie aus ihren Stöckelschuhen und streifte den tunikaähnlichen Umhang ab. Achtlos ließ sie ihn auf den Boden fallen, während sie barfuß in die Küche verschwand. Hogart warf sein Sakko über eine Stuhllehne. Er kramte seinen Autoschlüssel, das Handy, Feuerzeug und Zigaretten aus den Hosentaschen und schob alles auf der Glasplatte des Couchtisches zusammen. Seine alte Marotte. Dann sah er sich um. Bücher von Gorki, Tschechow und Solschenizyn standen in dem Regal, und natürlich fehlten auch nicht die Klassiker von Tolstoi und Dostojewksi. Dazwischen ragten die Bände von Ibsen und Kierkegaard hervor, die aber nicht wirklich zum Rest der Bibliothek passten. Hogart fragte sich, ob das hier noch die Literatur von Madeleines Vaters war oder ob sie diese Schinken tatsächlich selbst las.
Er hörte das Offnen und Schließen des Kühlschranks. Im nächsten Moment kam Madeleine wieder, in der einen Hand eine Flasche Sekt mit zwei Gläsern, in der anderen balancierte sie ein Tablett mit Brötchen.
»Die sind gestern von der Vernissage übrig geblieben. Stört dich das?«
»Kein Problem, solange keine Shrimps drauf sind.«
»Mann, hast du ein Glück«, neckte sie ihn. »Die wurden gestern alle gegessen.«
Sie setzten sich auf das Sofa und
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