Die Engelsmuehle
Polizeisafe der eigenen Wachstube auf, um die beschlagnahmten Drogen zu verkaufen.«
»Du verarschst mich?« Kurt sah ihn mit großen Augen an.
»Was dachtest du denn, wie das läuft? Die Drogenfahnder haben einen besseren Kontakt zur Szene als die Süchtigen. Solange der Preis stimmt, verkaufen sogar die Beamten des Bundeskriminalamts Daten an diejenigen, die es sich leisten können. Schau mich nicht so an, solche Dinge passieren eben.«
»Und warum erfährt niemand davon?«
Hogart bedeutete seinem Bruder, leiser zu sprechen. »Noch nie vom Schulterschluss gehört? Über Missstände in den eigenen Reihen wird hinweggesehen, Fehler werden toleriert, Kollegen gedeckt. So funktioniert das, und wer sich nicht an den Gruppendruck hält, ist ein Kameradenschwein.«
»Aber die Disziplinarkommission?«
»Ach was! Vor der wird kein Wort zugegeben, sonst decken die noch mehr auf, und wer weiß, wie viele darüber hinaus drinhängen.«
Kurt sah zur Klinik. »Und was glaubst du, passiert hier gerade?«
»Keine Ahnung. Aber ich bezweifle, dass Eichinger in eine schräge Sache verwickelt ist. Er hat seine eigene Auffassung von Gerechtigkeit. Vor Jahren brachte er einige Kollegen vor Gericht, die eine Lokalbesitzerin gedeckt hatten, in deren Nachtclub mit Drogen gedealt wurde. Die Kollegen wurden aber nicht suspendiert, sondern bloß in eine andere Abteilung versetzt.«
»Unglaublich«, flüsterte Kurt.
Hogart wusste, dass auch Eichinger damals strafversetzt worden war und er seither mit Garek zusammenarbeiten musste. Sicherheitshalber hatten sie auch die Zange bei seiner Frau angesetzt, die im Bundesrechenzentrum arbeitete. Seit drei Jahren schrieb sie nur noch Strafverfügungen. Angeblich hatte unter anderem auch Staatsanwalt Hauser seine Finger bei dieser Entscheidung mit drin gehabt. Gewöhnlich genügten solche Maßnahmen für eine junge Familie mit zwei Kindern. Eichingers Vorgesetzter dachte, er hätte ihn damit gebrochen. Aber so ein Typ wie Eichinger ließ sich nicht biegen. Er gab niemals auf. Hogart wusste, dass Eichinger im Moment zwar die Klappe hielt, doch wie lange noch?
»Wir sollten gehen«, schlug Hogart vor. Als er sich umwandte, knackte ein Ast hinter ihnen.
Ein junger Beamter in einer dunkelblauen Uniform stand zwei Meter von ihnen entfernt im Wald. Der Sicherungsriemen seines Holsters war offen. Seine Hand lag auf dem Griff der Dienstwaffe. In der anderen Hand hielt er eine Rolle mit gelbem Absperrband.
»Was zum Teufel machen Sie da?«
Hogart warf seinem Bruder einen Blick zu. Dieser brachte den Mund nicht auf.
»Wir wollen zu Doktor Dornauer«, sagte Hogart schließlich.
»Zeigen Sie mir Ihre Ausweise!« Ohne Hogart aus den Augen zu verlieren, stellte der Beamte die Rolle zu Boden und griff zum Funkgerät. »Zwei verdächtige Personen an der Nordseite der Klinik aufgefasst. Brauche Verstärkung.«
Als sie dem Beamten ihre Führerscheine reichten, warf er einen kurzen Blick in die Papiere. »Arbeiten Sie in der Klinik, Doktor Hogart?«
Kurt schüttelte den Kopf.
Das Funkgerät knackte. Der Beamte gab die Namen durch. Kurz darauf glaubte Hogart, Eichingers verzerrte Stimme aus dem Walkie-Talkie zu hören - aber es klang nicht nach der großen Wiedersehensfreude.
Hinter Hogart knackten die Äste auf dem Waldboden. Die Verstärkung war da.
»Gehen Sie voraus!«, befahl der Beamte.
Sie marschierten an dem Baum vorbei auf den Eingang der Klinik zu.
Es dauerte nicht lange, bis sie Eichinger gegenüberstanden. Jeder, der einmal mit dem Ermittler zu tun gehabt hatte, wusste, dass er stets eine Reservekrawatte und eine Flasche Rasierwasser im Seitenfach seines Wagens mit sich führte - für alle Fälle. Doch diesmal wirkte der Ermittler nicht wie aus dem Ei gepellt. Sein Krawattenknoten saß schief, das Hemd hing teilweise aus der Hose und er war unrasiert. Lernte Eichinger etwa von Garek?
Bevor der Kripoermittler etwas sagen konnte, deutete Hogart auf die Dienstwagen. »Was machen die Beamten des KK-West hier?« Bestimmt waren sie schon seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen.
»Was machst du hier?« Eichinger schlüpfte aus den Latexhandschuhen und ließ sie in der Hosentasche verschwinden.
»Wir gehen spazieren.«
»Hältst du mich für blöd?« Eichingers Stimme krächzte. »Entweder hast du etwas mit dieser Sache hier zu tun …« - er nickte zum Aufgang des Gebäudes - »… oder du schleichst wegen des Brandes in der Krankenkasse hier herum.«
Wenn es doch nur so wäre, dachte
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