Die Engelsmuehle
…«
»Sie sind von der Versicherung?«
Von der Versicherung? Hogart sah sie für einen Moment verwirrt an. Dann fügte er rasch hinzu: »Wir haben heute morgen von Doktor Dornauers Tod erfahren. Wir arbeiten rasch. Es geht um seine Lebensversicherung.«
Anscheinend hatte er einen Moment zu lange gezögert, denn die Frau musterte ihn skeptisch. »Könnte ich Ihren Ausweis sehen?«
»Natürlich.« Er klappte die Brieftasche auf und zeigte ihr seine Detektivlizenz vom ODV.
Sie schien ihm die Geschichte nicht abzunehmen, obwohl die Lizenz neben Führerschein und Reisepass der einzige echte Ausweis war, den er besaß.
Sie sah ihn skeptisch an. »Der Inspektor hat mich vor Journalisten gewarnt, die sich eventuell Zutritt zur Klinik verschaffen könnten.«
»Ich kenne den zuständigen Abteilungsinspektor. Garek hat recht, man kann nicht genug aufpassen.«
Sie deutete auf das Lederetui. »Ich habe so einen Ausweis noch nie gesehen.«
»Österreichischer Detektiv-Verband.« Lächelnd fischte er eine zusätzliche Visitenkarte aus einem Fach der Brieftasche, die ihn als Mitarbeiter der Interunfall-Versicherung auswies.
Sie warf nur einen kurzen Blick auf das Emblem. »Soviel ich weiß, laufen Doktor Dornauers Versicherungen bei der Grazer-Wechselseitigen.«
Scheiße! Hogart nickte. »Seine Haftpflicht-, Unfall- und Invaliditätsversicherung«, korrigierte er sie. »Aber die Lebensversicherung hat er bei der Interunfall abgeschlossen.« Er lächelte. »Die haben einfach die besseren Konditionen, da kann die Grazer nicht mithalten.« Er zog eine zweite Visitenkarte hervor, die ihn als Mitarbeiter der Grazer-Wechselseitigen auswies. »Ich arbeite für beide Häuser. Ich soll mir einen Überblick über den Todesfall verschaffen. In der Rezeption sagte man mir, dass ich Sie hier finden würde. Haben Sie einige Minuten Zeit?«
Sie musterte ihn immer noch skeptisch, doch schließlich öffnete sie die Tür. »Gehen wir in mein Büro.«
Wie sich herausstellte, hieß die Dame Carmen Scholl und war Doktor Dornauers persönliche Sekretärin. Das Büro, in welches sie Hogart führte, lag direkt über dem Archiv. Während sie die Kaffeemaschine einschaltete und zwei Tassen Espresso machte, setzte sich Hogart auf die Besuchercouch und blickte durch das Fenster auf die Donau. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich in den Wellen, die zwischen den Bäumen hindurchblitzten.
Carmen Scholl blieb hinter ihrem Schreibtisch sitzen. Während Hogart in seinem Kaffee rührte, schwarz, ohne Zucker, erzählte er etwas von Prämien, dem kommenden Quartalsende, der Versicherungssumme und dem Begünstigten der Lebensversicherung. Allerdings hätte er sich das Geplänkel, mit dem er das Eis brechen wollte, sparen können, da Carmen Scholl nur mit einem Ohr zuhörte.
Erst als er erwähnte, dass die Unfall- und Invaliditätspolicen mit dem Mord an Doktor Dornauer hinfällig wurden, röteten sich ihre Wangen. Er spürte, dass mehr hinter ihrer Reaktion steckte als bloß das Verhältnis einer Sekretärin zu ihrem Vorgesetzten. Als er sie über Doktor Dornauer befragte, begann sie zunächst zögerlich, aber dann immer flüssiger zu erzählen. Sie wusste, dass der Arzt am Freitagnachmittag noch im Büro gearbeitet hatte, da er sich im Archiv ein bestimmtes Überstellungsprotokoll aus dem Jahr 1988 ansehen wollte. Nachdem Carmen Scholl das Wochenjournal beendet hatte, verließ sie ihr Büro gegen vier Uhr nachmittags und fuhr nach Hause.
Als sie am Montagmorgen die Klinik betrat, stand Doktor Dornauers Wagen bereits auf dem Parkplatz. In seinem Büro lief der PC, sein Handy lag auf dem Schreibtisch und die Aktentasche stand neben dem Stuhl, doch von ihm fehlte jede Spur. Weder der Portier noch die Therapeuten, die in der Früh kamen, um die Bäder für die ersten Patienten vorzubereiten, hatten ihn die Klinik betreten sehen. Erst als die Kripo anrief, um sich nach Doktor Dornauer zu erkundigen, wurde Carmen Scholl stutzig. Sie erfuhr, dass seine Frau am Sonntag eine Vermisstenanzeige erstattet hatte, da er das Wochenende nicht zu Hause verbracht hatte. Doch als die Kripo hörte, dass Dornauers Wagen auf dem Reha-Gelände parkte und seine Privatgegenstände im Büro lagen, war der Fall für die Ermittler erledigt. Carmen Scholl rief aber nicht - wie Hogart angenommen hatte - Dornauers Ehefrau an, um der Sache nachzugehen, sondern telefonierte erneut mit der Kripo. Allerdings wollte keiner der Beamten etwas unternehmen. Das änderte sich, als der
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