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Die Engelsmuehle

Die Engelsmuehle

Titel: Die Engelsmuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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abgebrannt, hatte ständig eine Schnapsfahne und Spielschulden auf der Trabrennbahn, um die ihn keiner beneidete. Wegen seiner Spielerleidenschaft besaß er nicht einmal ein Auto, sondern fuhr mit dem Bus oder der Straßenbahn, meistens ohne gültigen Fahrausweis. Demnach war es gar nicht so ungewöhnlich, dass Faltl in so einer Gegend wohnte.
    Hogart parkte seinen Wagen vor ein paar randvollen Mülltonnen. Daneben lehnten einige aufgeplatzte Kunststoffsäcke. Er nahm seine Glock aus dem Handschuhfach und schob ein Magazin in den Griff. Anschließend steckte er die Pistole ins Schulterholster. Seit dem Überfall in seinem Schlafzimmer ging er bestimmt nicht mehr ohne Waffe außer Haus.
    Wohnblock Nummer siebzehn. Der Weg führte unter einem Torbogen durch den Bauch eines Hauses in den Innenhof. Auch hier war der Rasen verbrannt, der Maschendrahtzaun um den Kinderspielplatz niedergedrückt und die Sitzbänke mit leeren Bierflaschen übersät. Offensichtlich hielten sich hier mehr Erwachsene als Kinder auf. Die Abdeckung der Gegensprechanlage war demoliert, die Drähte hingen blank aus der Mauer. Alfred Faltl wohnte im fünften Stock. Im Treppenhaus roch es nach Kalk und abgestandener Luft. Vertrocknete Pflanzen standen auf den Fensterbänken, staubige Schuhabstreifer lagen vor den Haustüren. An den Klinken hingen Postwurfsendungen und aus manchen Wohnungen strömte der Geruch von Kohl und Kartoffeln hervor. Einige Fernsehgeräte plärrten mit den Bewohnern um die Wette.
    Als Hogart im letzten Stock vor Faids Tür ankam, stockte ihm der Atem. So war es also, wenn man ein schauriges Dejá-vu erlebte. Die Postwurfsendungen stapelten sich auf dem Schuhabstreifer. Das Schloss war verbogen, der hölzerne Rahmen von einem Stemmeisen eingedrückt. Der Breite der Abdrücke nach zu urteilen war es das gleiche Brecheisen, mit dem bereits Hogarts Tür aufgebrochen worden war. Allerdings hatte sich der Einbrecher die Mühe gemacht, die Tür wieder so zu verschließen, dass sie nicht von alleine aufging - und den Werbeausträgern war nichts aufgefallen.
    Hogart nahm die Glock in die Rechte. Nachdem er sie entsichert hatte, griff er zum Handy. Er wählte Gareks Nummer. Der Kripobeamte hob nach dem zweiten Läuten ab.
    »Was gibt’s?«
    Hogart schob die Eingangstür auf und spähte ins Dunkel. »In Alfred Faids Wohnung wurde eingebrochen.«
    »Das interessiert mich brennend. Ruf die Jungs vom Einbruch an, ich hab zu tun.«
    Garek wollte bereits auflegen, doch Hogart kam ihm zuvor. »Faltl arbeitete im selben Krankenhaus wie Ostrovsky. Sie kannten sich. Außerdem unterzeichnete er die Überstellungsprotokolle zu Dornauers Reha-Klinik …«
    »Unterzeichnete?«
    »Er ist seit einigen Jahren im Ruhestand.«
    Garek schwieg eine Weile. Indessen betrat Hogart den Vorraum. Wie in seiner eigenen Wohnung war auch hier alles durchwühlt worden. Er lauschte, doch aus den anderen Räumen drang kein Geräusch zu ihm. Er schob die Tür zum Badezimmer mit dem Schuh auf. Dunkle Blutspritzer klebten auf den Fliesen. Ein säuerlicher Geruch schlug Hogart entgegen.
    »Ich spar mir die Frage, was du vor Fahls Wohnung zu suchen hast«, seufzte Garek. »Gib mir die Adresse.«
    Hogart nannte ihm Faltls Anschrift. Gleichzeitig betätigte er mit dem Ellenbogen den Lichtschalter. Die Blutspritzer auf der Glühlampe sorgten im Badezimmer für eine schummrige, dunkelrote Beleuchtung. Im Spiegel über dem Handwaschbecken sah Hogart, was sich in der Badewannennische offenbarte. Ein nackter Mann hing wie ein Gekreuzigter in der Badewanne, die Hände an die Haken für die Wäscheleine gebunden. Er war gewiss schon seit mehreren Tagen tot. Der Killer war bestimmt nicht mehr in der Wohnung. Hogart steckte die Glock zurück ins Holsten »Nimm den Gerichtsmediziner mit«, sagte er knapp.
    »Scheiße«, fluchte Garek. »Verlasse die Wohnung und achte drauf, dass keiner reingeht und die Spuren verwischt.« Er legte auf.
    Hogart stand im Türrahmen zum Badezimmer und starrte noch eine Weile in den Spiegel. Die Blutspritzer reichten bis zum Türstock und die Wände hoch bis zur Decke. Faltl war zu Tode gefoltert worden, doch nicht mit einer Schere wie Ostrovsky oder Dornauer, sondern auf eine viel grausamere Weise. Auf den Bodenfliesen lag eine Handvoll zehn Zentimeter langer Stahlnägel, die im matten, dunkelroten Licht glänzten. Was nicht auf dem Boden lag, steckte in Faltls Körper. Dieser war mit Dutzenden Nägeln übersät. Von jedem ragte nur noch der Kopf heraus.

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