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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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nicht den Rücken klopfen? Sie hat sich verschluckt. Ich sage es immer: Diese Hamburger Götterspeise ist wahrhaft göttlich, aber die Johannisbeeren darin sind tückisch.»
    «Aber warum haben sie Euch geschickt?», fragte Anne. «Ich meine: Warum gerade Euch?»
    «Das hat keinen tieferen Grund, Madame Herrmanns. Ich war bei einem Eurer Assekuradeure zu Besuch, Monsieur Wendts Gattin ist eine Verwandte meiner Mutter, und ich hatte Zeit. Ich kenne mich in London ganz gut aus und stand einfach gerade zur Verfügung.»
    «Und wieso konnte Mr.   Fielding Euch helfen?», fragte nun Augusta, die sich gerne an ihren Besuch bei dem Richter erinnerte. «Er ist doch nur der Richter für die Region um Covent Garden.»
    «Das stimmt, Madame Kjellerup. Aber für ihn war es leicht, den für die Tothill Fields zuständigen Magistrat zu informieren und dafür zu sorgen, dass einige Dragoner bereitstanden, falls, wie ich sicher annahm, Alwitz und Konsorten an jenem Abend dort zusammentrafen. Er hat sogar einige seiner Constablers geschickt, die sich mit großem Vergnügen in Zivil unter das Publikum gemischt haben. Als ich allerdings Mademoiselle Rosina bei der Arena entdeckte, war ich nicht mehr so sicher, ob dieser Abend gut gewählt war.»
    «Im Gegenteil», rief Anne. «Ich mag keine Sekunde daran denken, was aus Rosina und Lady Florence geworden wäre, wenn Ihr einen anderen Abend gewählt hättet.»
    «Wieso habt Ihr mich überhaupt erkannt?», fiel ihr Rosina schnell ins Wort, bevor die nächste unerquicklicheDiskussion über ihren einsamen Ausflug in die Kate beginnen konnte. «Ihr habt mich doch nur von der Galerie gesehen.»
    «Ich stand auch eine Weile bei der Arena direkt hinter Euch», erklärte Vinstedt fröhlich. «Ihr habt mich nur nicht bemerkt, was ich durchaus betrüblich fand.»
    Rosina hatte jetzt keinen Sinn für Galanterien und spürte ärgerlich ein sanftes Erröten. «Ihr hättet uns warnen können, Monsieur Vinstedt», sagte sie kühl. «Warum habt Ihr das nicht getan?»
    «Das wollte ich, sobald ich Wagner entdecken würde, der mit den Constablern von der Bow Street kommen sollte. Ich war schon sehr viel früher dort. Als ich mich schließlich nach Euch umsah, wart Ihr und auch Lady Florence, die ich allerdings nicht für eine Lady hielt, verschwunden. Als ich Euch suchte, sah ich gerade noch, wie Ihr in die Kate getragen wurdet und sich die Tür hinter Euch schloss.»
    «Und Ihr seid mir nicht zu Hilfe gekommen? Der Kerl hätte mich doch gleich töten können.»
    Vinstedt zuckte bedauernd mit den Achseln. «Ich bitte um Vergebung, Mademoiselle, ich bin nicht Herkules. Dass in der Kate mindestens drei Männer waren, wusste ich schon. Außerdem hatte ich gleich darauf genug damit zu tun, Hebbel und Titus zurückzuhalten, bis die Dragoner da waren.»
    Rosina war immer noch nicht zufrieden. «An dem Abend, als Ihr den Richter besucht haben wollt, wart Ihr doch im Theater.»
    Vinstedt nickte. «Ich hatte so eine Idee, als könnte ich dort gebraucht werden», erklärte er mit todernstem Gesicht. «Ich bin aber erst in der Pause gekommen, von derBow Street sind es nur wenige Schritte bis zur Drury Lane.»
    Der Senator legte manierlich Messer und Gabel auf seinen Teller. Während alle anderen schon beim Dessert waren, auch Madame van Witten und Vinstedt, hatte er sich noch von der Ente und der Kirschsoße servieren lassen.
    «Und nun, meine Lieben», entschied er, «haben wir genug von diesen unerfreulichen Dingen geredet. Nun möchte ich endlich den erfreulichen Teil hören. London», fügte er, der doch niemals gerne reiste, großzügig hinzu, «ist immer eine Reise wert.»
    «Wenn Ihr erlaubt.» Madame Boehlich zeigte zu Wagners Verwunderung nicht die geringste Befangenheit gegenüber dem mächtigen Mann aus dem Senat. «Eine Frage habe ich doch noch. Ich habe auch von diesem Tuchhändler gehört, durch einen Brief aus London», erklärte sie. «Warum wurde dieser Mann, Ihr habt ihn vorhin auch erwähnt, Monsieur Jean, in dem Cockpit getötet? Hatte er auch mit dem Schmuggel zu tun? Wollte er etwas verraten?»
    «Nein», antwortete Rosina, «Mr.   Webber wurde das Opfer einer Wette, die er dumm genug gewesen war, abzuschließen.»
    «Eine Wette? Um sein Leben?»
    Wie überall in London, erfuhr sie nun, wurde auch auf den Tothill Fields um alles nur erdenklich Mögliche gewettet. Selbst das Wetten auf Menschenleben war nichts Besonderes, obwohl es hieß, seit der König gehört hatte, dass auch auf sein und

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