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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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das Leben der Königin spekuliert werde, erwäge er, diese Wetten zu verbieten. Mr.   Webber war Opfer einer doppelten Wette geworden. Zunächsthatte er eine Lebensversicherung abgeschlossen, wie man sie in England schon lange für die Marine, aber seit geraumer Zeit auch für Privatpersonen hat. Allerdings hatte er das nicht bei seriösen Assekuradeuren getan, die die verzinste Summe im Todesfall an einen im Vertrag notierten Hinterbliebenen auszahlten, sondern bei Jack Daniels. Dessen Versicherung war gar keine, sondern letztlich nichts als eine Wette. Im Todesfall bekam Daniels die ganze Summe, wer überlebte, bekam die Summe nach einer vereinbarten Zeitspanne samt einer Prämie. Da Webber keinesfalls vor hatte zu sterben, hatte er an ein leichtes, wenn auch nicht besonders wichtiges Nebengeschäft geglaubt, das ihn zudem als Spiel mit dem Schicksal einen angenehmen Kitzel fühlen ließ.
    Diese Wette fand – dummerweise – in feuchtfröhlicher Runde statt, und zwar mit Männern, die auf solche, die sich durch eigene Arbeit ernähren mussten, herabsahen. Sie sahen in Webber nur einen eitlen Mann und machten sich einen Spaß mit ihm, indem sie flugs darauf wetteten, bis zu welcher Höhe Webber seine Wette abzuschließen wagen würde. Webber genoss die ungewohnte Beachtung und die Summe schaukelte sich immer höher.
    «Ich weiß nicht, um wie viel», fuhr Rosina fort, «aber es muss um eine beträchtliche Summe gegangen sein. Jedenfalls, als Webber einige Zeit später dort oben in seinem Korb saß, so hübsch direkt über den mörderischen Hunden, kamen Daniels und seine Söhne auf die Idee, Mr.   Webbers Leben zu beenden und von der fatalen Wette satt zu profitieren.»
    «Das Cockpit ist jetzt geschlossen, hat mir Cilly Cutler geschrieben», ergänzte Augusta. «Obwohl das allgemeinbedauert wird, selbst mit einem neuen Wirt hätte die Scheune einen grandiosen Zulauf gehabt. Die Liste der Gentlemen, die an diesem Abend auf den Tothill Fields von den Dragonern notiert und befragt worden waren, soll lang sein und weit über London hinaus blitzschnell die Runde gemacht haben, wobei sie auf geheimnisvolle Weise immer länger wurde. Denn schon nach wenigen Tagen, schreibt Cilly, galt es in den Clubs und in ähnlichen Etablissements als Zeichen von mangelnder Männlichkeit, bei dem Spektakel nicht dabei gewesen zu sein.»
    Der Himmel rötete sich im Westen, Blohm brachte Kerzen, Pfeifen und Tabak für die Herren, eine Schale mit kleinen Rumkugeln aus feiner Schokolade mit Sultaninen und Puderzucker für die Damen und Karaffen mit Sherry und Portwein für alle.
    Der Senator erinnerte an seinen Wunsch, die angenehmen Erlebnisse der Londonreise zu hören, und Jean sah endlich seine große Stunde gekommen. Da er selten so gut zu essen bekam wie bei den Herrmanns’, hatte er sich bisher ganz gegen seine übliche Gewohnheit schweigend auf seinen Teller konzentriert.
    Nun war die richtige Zeit, von seinem denkwürdigen Auftritt auf der Bühne des
Drury Lane Theatre
zu erzählen. Leider kamen ihm Anne und Claes Herrmanns zuvor und begannen von ihrer großen Reise nach den Kolonien zu berichten, wobei sie dem Senator zuliebe das nasse Ende der Überfahrt ausließen.
    Alle plauderten, waren heiter und mit sich und dem Leben zufrieden. Nur Helena fühlte leise Melancholie. Erst als der Mond über den Baumkronen aufstieg, hatte sie bemerkt, dass die Stühle von Rosina und Magnus Vinstedtleer waren. Sie sah die beiden am Ufer stehen, viel zu nah beieinander, wie sie fand, und fröstelte. Irgendwann, so dachte sie, würde Rosina sie doch verlassen.
    Sie wandte sich Madame Boehlich zu, um über irgendetwas Heiteres und ganz und gar Unbedrohliches zu plaudern, doch die hatte einen der Leuchter herangezogen und las mit sanftem Lächeln einen Brief, der so aussah, als sei er schon viele Male gelesen worden.

GLOSSAR
    Abel, Carl Friedrich
(1723   –   1787) war seit seiner Kindheit in Köthen mit der Fam. Bach befreundet. Er studierte in Leipzig, wo er in J.   S.   Bachs Kantatenkonzerten als Gambenspieler hervortrat. 1748 wurde er Mitglied der Dresdener Hofkapelle, 1758 ging er nach London, wo er mit J.   Christian (→) Bach die bei der High Society berühmten, von Januar bis Mai wöchentlich stattfindenden
Bach-Abel-Concerts
(1765   –   1782; Kammermusiken, ‹empfindsame› Symphonien, Konzerte im ‹italienisch-mannheimischen› Stil) ins Leben rief. 1759 wurde er Kammermusiker der Königin. Der Viola da Gamba-Virtuose

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